Das Kabinett beschließt die Neuregelung auf Druck des Verfassungsgerichts. Familienministerin Kristina Schröder verteidigt das Elterngeld.

Berlin. Ledige Väter sollen künftig auch gegen den Willen der Mutter ein Sorgerecht erhalten können. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) zur Reform des Sorgerechts vor, den das Kabinett gestern verabschiedete. Der Entwurf solle ein "neues gesellschaftliches Leitbild der elterlichen Sorge" implementieren, so die Ministerin. Für ein Kind seien "grundsätzlich beide Eltern wichtig".

Das Bundesverfassungsgericht hatte die bisherige Rechtslage 2010 gekippt und eine Reform verlangt. Laut Statistik kommt inzwischen jedes dritte Kind außerhalb einer Ehe zur Welt. 1995 lag der Anteil noch bei 15 Prozent.

Nach der Vorlage bleibt das Sorgerecht bei unverheirateten Eltern nach der Geburt weiterhin grundsätzlich bei der Mutter. Der Vater kann aber jederzeit beim Familiengericht eine Mitsorge beantragen. Äußert sich die Mutter nicht oder trägt lediglich Gründe vor, die nicht mit dem Kindeswohl zu tun haben, kann das Gericht in einem vereinfachten Verfahren das gemeinsame Sorgerecht rasch und unbürokratisch gewähren. Maßstab ist damit allein das Kindeswohl. Andere Einwände der Mutter, wie etwa sie wünsche keinen Kontakt oder die Beziehung sei nur kurz gewesen, greifen nicht mehr.

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Die alte Regelung räumte bei unverheirateten Paaren der Mutter einen automatischen Vorrang beim Sorgerecht ein. Eine gemeinsame Sorge war nur mit ausdrücklicher Zustimmung der Mutter möglich. Die Väter hatten bislang keine Möglichkeit, diese Ablehnung vor Gericht anzufechten. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hatte diese Regelung 2009 als Diskriminierung der Väter gerügt. Das Bundesverfassungsgericht stellte 2010 fest, dass der Gesetzgeber "dadurch unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes eingreift". Viele Väter hatten sich dagegen gewehrt, dass ihnen der Kontakt zu ihren Kindern verwehrt wurde. In der Gesetzesbegründung ruft das Justizministerium die Väter dazu auf, "ihrer Verantwortung gegenüber dem Kind in vollem Umfang wahrzunehmen". Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) zeigte sich unzufrieden. Die Mutter bekomme zu wenig Zeit für ihre Stellungnahme, sagte sie.

Unterdessen musste Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) das Elterngeld gegen Kritik aus den eigenen Reihen verteidigen. "Ohne das Elterngeld müssten viele Mütter schon acht Wochen nach der Geburt des Kindes wieder arbeiten", sagte Schröder der "Bild"-Zeitung: "Das kann niemand wollen." Der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Bareiß hatte gefordert, angesichts der rückläufigen Geburtenzahl in Deutschland das Elterngeld zu überprüfen. Es habe seinen Zweck nicht erfüllt. Schröder unterstrich, dass am Elterngeld nicht gerüttelt werde. Kinderkriegen sei aber nicht nur eine Frage des Geldes, räumte sie ein: "Wer ein Kind hat, braucht vor allem mehr Zeit." Deshalb kämpfe sie für flexiblere Arbeitszeiten.

Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles warnte davor, das Elterngeld in Zweifel zu ziehen. Leute wie Bareiß hätten "immer noch nicht begriffen, dass das Elterngeld keine Geburtsprämie ist", sagte sie dem Onlineportal "sueddeutsche.de". Es solle vielmehr "den veränderten Lebensentwürfen von Frauen und Männern gerecht werden und in der frühen Elternzeit helfen, dass sich Väter und Mütter ohne wirtschaftliche Sorgen selbst um ihr Kind kümmern können". Die Debatte zeige, dass "große Teile der Union nach wie vor mit einer modernen und klugen Familienpolitik fremdeln", fügte Nahles hinzu. Laut Angaben des Statistischen Bundesamts ist die Zahl der Geburten im vergangenen Jahr weiter gesunken. Nach vorläufigen Ergebnissen wurden 2011 rund 663 000 Kinder lebend geboren, wie die Behörde am Montag mitteilte. Das waren 15 000 weniger als 2010, was einem Rückgang um 2,2 Prozent entspricht.