Bei der Elternzeit von “Mitnahme-Effekt“ zu sprechen ist realitätsfern und respektlos

Das Elterngeld ist keine Wurfprämie. Da die insgesamt rückläufigen Geburtenzahlen (erfreulicherweise nicht in Hamburg) aber gerade eine erneute Debatte über das Elterngeld ausgelöst haben, hat sich dieser Umstand offenbar noch immer nicht herumgesprochen; gerade erst tönte der CDU-Abgeordnete Thomas Bareiß, das Elterngeld habe "seinen Zweck" nicht erreicht.

Mal ganz abgesehen davon, dass auch Herr Bareiß nicht wissen kann, wie stark die Geburtenrate wohl ohne Elterngeld gesunken wäre, das einem Paar immerhin ermöglicht, sich im ersten Jahr einigermaßen beruhigt dem Nachwuchs widmen zu können, wäre ihm sonst vielleicht ein viel entscheidenderer Effekt aufgefallen: Um das Elterngeld die vollen 14 Monate zu beziehen, sind beide Elternteile verpflichtet, einen Anteil Elternzeit zu nehmen. Genau das hat in relativ kurzer Zeit einen relativ wichtigen gesellschaftlichen Wandel verursacht: Väter, die ihre Kinder erziehen, sind kein absurdes Nischenphänomen mehr.

Klar, immer noch reichen überwiegend die Frauen die Elternzeit ein. Aber es hat sich etwas getan: Ihre Männer, die oft immer noch das höhere Gehalt beziehen, nehmen wenigstens die zwei sogenannten "Vätermonate", in Einzelfällen mehr. Und gern! Endlich! Manchmal mit der Ausrede, sonst ja "bares Geld" zu verschenken - das versteht jeder Chef und auch die noch kinderlosen Kumpel. Wie häufig aber hört man inzwischen, dass auch die Männer Anteil am Familienleben haben wollen. Dass sie eben nicht - wie noch die Generation ihrer Väter - ausschließlich für die finanzielle Versorgung zuständig sein wollen. Dass sie eben nicht jemand sein wollen, der nach Feierabend zum Gute-Nacht-Kuss vorbeikommt und an Weihnachten feststellen muss, wie groß das Kind doch wieder geworden ist, während man selbst seine Zeit im Meeting und auf Geschäftsreisen verbracht hat.

Welch eine Respektlosigkeit also, wenn Herr Bareiß diese Errungenschaft mit den Worten "Die Vätermonate werden oftmals einfach so mitgenommen" abkanzelt. Einfach so mitgenommen?! Als handele es sich nicht um Qualitätszeit, die man mit seinen Kindern verbringt, sondern um ein Schnäppchen im Kleidermarkt?

Wie schön wäre es, wenn jemand wie Herr Bareiß mehr Hirnschmalz dafür aufwenden würde, wie denn die Familiengründung - also die Steigerung der statistischen Geburtenrate, die ihm so am Herzen liegt - stattdessen erleichtert werden könnte. Ein Kinderwunsch lässt sich weder durch eine Geburten- noch durch eine Herdprämie befeuern. Aber durch adäquatere Bedingungen. Dass Väter präsenter im Familienleben sind, ist ein Aspekt. Dass Unternehmen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht entziehen, ein anderer. Wie viele junge Männer und Frauen verschieben den Kinderwunsch auf später (oder auf zu spät), weil sie nur noch prekäre oder befristete Arbeitsverträge haben? Und statt ein absurdes Betreuungsgeld einzuführen, das gesellschaftlich und sogar politisch weitgehend nicht akzeptiert ist und in einer Art politischem Kuhhandel durchgesetzt wurde, wäre das Geld dringend für die Kinderbetreuung nötig. Nicht nur um die Quantität zu erhöhen, sondern auch und vor allem die Qualität. Erzieherinnen machen einen sehr verantwortungsvollen und anstrengenden Job. Sie sollten entsprechend ausgebildet und selbstverständlich entsprechend bezahlt werden.

Und, auch das soll nicht unerwähnt bleiben, all das hat keineswegs zur Folge, dass Mütter - oder Väter, wir erinnern uns - nicht weiterhin entscheiden können, ihre Kinder komplett zu Hause zu erziehen. Niemand wird politisch gezwungen, sein Kind betreuen zu lassen, viele aber ökonomisch. Dann doch bitte unter den bestmöglichen Umständen. Wer nur über Geburtenraten diskutiert, verhindert hier die eigentliche Debatte.