Auch der FDP-Chef im Saarland trat zurück. Der bisher stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Patrick Döring wird Lindners Nachfolger.

Berlin. Patrick Döring soll es nun richten: Der bisherige FDP-Schatzmeister wird neuer Generalsekretär der Liberalen. Noch am Mittwoch wollte Parteichef Philipp Rösler seine mit den Landesverbänden abgestimmte Entscheidung verkünden. Döring beerbt den zuvor überraschend zurückgetretenen Generalsekretärs Christian Lindner . Kurz nach Lindners Abgang gab es gleich den zweiten Rücktritt: Der FDP-Fraktionschef im saarländischen Landtag, Christian Schmitt, ist überraschend zurückgetreten. Das gab sein Amtsvorgänger Horst Hinschberger nach einer Sitzung der Fraktion am Mittwoch im Landtag in Saarbrücken bekannt. Gründe für seinen Rücktritt habe Schmitt nicht genannt, habe aber gesagt, er behalte sich weitere Schritte vor.

Die Wellen schlagen hoch, immer mehr Reaktionen beurteilen den Rücktritt. Kaum einer sieht darin eine Chance für die FDP. Eher wird befürchtet, dass auch Röslers Rücktritt nun nur noch eine Frage der Zeit ist. FDP-Mitglieder sehen ihre Partei in Lebensgefahr: Die schwache Position in der Koalition, verheerende Umfragewerte und nun der Rücktritt des Generalsekretärs.

Christian Lindner verschärft die Existenzkrise der Partei und setzt ihren Vorsitzenden Philipp Rösler massiv unter Druck. Der Vizekanzler bedauerte Lindners Schritt am Mittwoch in Berlin bei einem kurzen Auftritt in der Parteizentrale in Berlin und erklärte demonstrativ, die FDP werde geschlossen in das nächste Jahr ziehen. Das Verhältnis von Lindner und Rösler gilt seit längerem als angespannt. Eine Begründung für seinen Rückzug nannte Lindner nicht.

Rösler deutete eine Entscheidung über Lindners Nachfolge bis Freitag an. Im Gespräch ist FDP-Bundestagsfraktionsvize Patrick Döring (38). Ferner werde erwogen, den Haushaltsexperten der Fraktion, Otto Fricke, dann zum Schatzmeister zu machen, berichteten die „Saarbrücker Zeitung“ und die „Rheinische Post“. Rösler sagte: „Jetzt werden wir (...) nach vorn schauen.“

Regierungssprecher Steffen Seibert lehnte eine Stellungnahme zu den möglichen Auswirkungen des Rücktritts auf die schwarz-gelbe Koalition von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ab. Das Kabinett habe sich nicht mit Lindners Entscheidung befasst, sagte Seibert. „Das Bundeskabinett konzentriert sich auf die Arbeit der Bundesregierung. Damit hat der Rücktritt nichts zu tun.“

Lindner sagte: „Es gibt den Moment, in dem man seinen Platz frei machen muss, um eine neue Dynamik zu ermöglichen. Die Ereignisse der letzten Tage und Wochen haben mich in dieser Einschätzung bestärkt.“ Er verließ das Rednerpult im Thomas-Dehler-Haus, der Parteizentrale, mit den Worten: „Auf Wiedersehen.“ Wie Rösler beantwortete er keine Fragen.

Lindner galt neben Rösler und Gesundheitsminister Daniel Bahr nach der Ära von Parteichef Guido Westerwelle als Strippenzieher der neuen Führung. Zuletzt war er jedoch im Zusammenhang mit der Organisation des Mitgliederentscheids zum Euro-Rettungsschirm ESM stark in die Kritik geraten. Wie Rösler hatte Lindner den Entscheid bereits am Wochenende – vor Ablauf der Frist – für gescheitert erklärt.

Der frühere FDP-Innenminister Gerhart Baum forderte in mehreren Medien den Rücktritt des ganzen FDP-Präsidiums und sagte, die Partei sei noch nie zuvor in solcher Lebensgefahr gewesen. In diesem Jahr flog sie aus mehreren Landtagen und liegt im Bund laut Umfragen deutlich unter fünf Prozent. In den vergangenen Tagen gab es Spekulationen über einen Rücktritt von Rösler selbst, was aber von führenden FDP-Politikern zurückgewiesen wurde.

Rösler steht seit seinem Amtsantritt im Mai unter Beschuss. Damals hatte er angekündigt, die FDP werden nun „liefern“. Die damit geweckten Erwartungen konnte er bislang aber nicht erfüllen. Rösler hatte vor Lindners Rücktritt der „Passauer Neuen Presse“ gesagt: „Mit mir als FDP-Chef wird es keine Verschiebung der Grundachse der FDP geben. Da habe ich die ganze Führungsmannschaft hinter mir.“

Lindners Rücktritt stürzt die Liberalen nach Ansicht des Kieler Fraktionschefs Wolfgang Kubicki in eine Führungskrise. Er befürchte jetzt weitere Personaldebatten, sagte Kubicki. „Das ist etwas, was wir jetzt eigentlich am wenigsten gebrauchen können.“ In Schleswig-Holstein ist am 6. Mai 2012 Landtagswahl. Das Abschneiden der FDP dort gilt auch als entscheidende Wegmarke für die FDP im Bund.

Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser- Schnarrenberger sagte, Lindners Rücktritt sei ein „Schock für die FDP“. Die Partei sei in einer sehr schwierigen Situation. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte: „Rösler ist der Totengräber der FDP. Er hat den wahren Liberalismus heimatlos gemacht.“ Statt Lindner hätte Rösler zurücktreten müssen. „Er ist der Kopf einer jungen Führungsriege, die gescheitert ist. Lindner ist der erste, der Konsequenzen aus dem Scheitern der neuen Führungsriege zieht.“ Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke meinte: „Der Rücktritt von Herrn Lindner beschleunigt die Selbstzerstörung der FDP.“

Euro-Rebell Frank Schäffler geht von einem Erfolg der Euro-Skeptiker beim Mitgliederentscheid über den Euro-Rettungsschirm aus. „Ich bin optimistisch, was das Ergebnis betrifft. Ich glaube, wir werden am Ende, unabhängig vom Quorum, 60 zu 40 vorne liegen“, sagte er dem Fernsehsender Phoenix. Schäffler betonte, es gehe ihm bei dem Entscheid um Basisdemokratie und Sachfragen. „Es wäre falsch, jetzt über Personen zu reden, da überhöht man diese ganze Geschichte.“

Der überraschende Rücktritt von Generalsekretär Christian Lindner löst nach Ansicht des Thüringer FDP-Chefs Uwe Barth nicht die Probleme der Partei. „Der Start von Christian Lindner als Generalsekretär war mit großen Erwartungen verbunden. Diese Erwartungen sind nicht erfüllt worden“, erklärte Barth am Mittwoch in Erfurt. Die Koalition in Berlin habe neben aller Kritik auch Erfolge vorzuweisen – diese aber würden von dauernden Personaldiskussionen überlagert.

„Die Menschen im Land interessiert vor allem ihre eigene Lage und nicht das Selbstbefinden der FDP“, betonte Barth. Er empfehle den Berliner Kollegen, sich auf die politisch-inhaltlichen Aufgaben zu konzentrieren. Lindner hatte am Vormittag ohne nähere Erläuterung seinen Rücktritt bekanntgegeben. Er war zuvor im Zusammenhang mit dem Mitgliederentscheid zum Euro-Rettungsschirm in die Kritik geraten.

Die Linkspartei rechnet mit einer „Kettenreaktion“ bei den Liberalen. „Christian Lindners Rücktritt ist der Anfang vom Ende Philipp Röslers als Chef der FDP, der Anfang vom Ende der FDP und der Anfang vom Ende dieser Bundesregierung“, sagte Bundesgeschäftsführerin Caren Lay am Mittwoch in Berlin. Lay kritisierte Rösler wegen des Rücktritts seines Generalsekretärs. Lindner habe in seiner Erklärung klar gemacht, dass er das „Bauernopfer“ für den Parteivorsitzenden sei. (dpa/dapd)