Bund und Länder zögern bei der Innenministerkonferenz in Wiesbaden mit einem erneuten Verfahren gegen die Rechtsradikalen.

Berlin/Wiesbaden. Ein Signal des Handelns muss her, aber ein Schnellschuss darf es auch nicht werden: Die Innenminister von Bund und Ländern suchen eine gemeinsame Position zu einem möglichen Verbot der rechtsextremen NPD. Einen Beschluss für ein neues Verbotsverfahren wird es bei der bis heute andauernden Innenministerkonferenz (IMK) in Wiesbaden aber wohl noch nicht geben. Wahrscheinlich wird die IMK eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern auffordern, Kriterien für ein erfolgreiches NPD-Verbot zu entwickeln.

Die Innenminister der SPD-geführten Länder sprachen sich gestern einstimmig für ein NPD-Verbot aus. Die unionsgeführten Länder blieben zurückhaltend. Sie ließen verlauten, sie erwarteten einen möglichen Entschluss über ein NPD-Verbotsverfahren für das nächste Frühjahr. Bis zur nächsten Innenministerkonferenz sollen die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe vorliegen, die die Erfolgschancen eines erneuten Verfahrens prüfe, hieß es weiter. Zudem sei es den Unions-Innenministern wichtig, dass ein möglicher Antrag nicht nur vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg haben müsse, sondern auch Vorgaben des europäischen Gerichtshofes entspreche.

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Auch im Bundesinnenministerium sind die Zweifel erheblich. Der parlamentarische Innen-Staatssekretär Ole Schröder (CDU) sagte dem Abendblatt, er warne eindringlich vor einem erneuten NPD-Verbotsverfahren. "Das Schlimmste wäre, am Ende eine NPD zu haben, die das Gütesiegel des Bundesverfassungsgerichts bekommt", so der CDU-Politiker aus Pinneberg. Er betonte: "Selbst wenn es uns gelingen sollte, die NPD als Partei abzuschaffen, haben wir damit noch nicht einen Nazi abgeschafft. Diese suchen sich dann neue Strukturen, die mit Sicherheit nicht einfacher zu bekämpfen sind."

Über das Risiko sind Innenminister sich im Klaren. Im Jahr 2003 war ein erstes Verbotsverfahren an der Frage der V-Leute des Verfassungsschutzes in der NPD-Führung gescheitert.

Doch seitdem bekannt ist, dass das Zwickauer Neonazi-Trio auch NPD-Kontakte hatte und die Strukturen des Verfassungsschutzes das jahrelange Morden nicht aufdecken konnten, läuft die Debatte um einen neuen Versuch des Parteiverbots auf eine Entscheidung zu. Ein Parteiverbot muss beim Bundesverfassungsgericht beantragt werden. Ein Beschluss der Innenminister zugunsten eines Verbotsverfahrens wäre zunächst ohnehin nur ein Signal: Nur Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat können einen Verbotsantrag stellen. Die Innenministerkonferenz müsste den Beschluss ohne Gegenstimme fassen, da das Prinzip der Einstimmigkeit gilt.

Über das Maß der Gefährlichkeit der NPD hatte sich die Politik bis zuletzt gestritten. Die 1964 in Hannover gegründete Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) hat derzeit rund 6600 Mitglieder. Ihre bedeutendste Zeit hatte die NPD in den ersten Jahren nach ihrer Gründung 1964. Ende 1968 war sie in sieben Landesparlamenten vertreten, verlor dann jedoch an Bedeutung, sowohl in Bezug auf die Wahlergebnisse als auch mit Blick auf die Mitgliederzahlen. Seit der Jahrtausendwende feierte die Partei wieder vereinzelte Wahlerfolge, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern. Momentan ist sie in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen vertreten. Sie erhielt 2010 nach einer Übersicht der Bundestagsverwaltung 1,176 Millionen Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Bei der Berechnung der Summe werden nach dem Parteienfinanzierungsgesetz die Wählerstimmen der letzten Bundestags- und Europawahl sowie der 16 Landtagswahlen berücksichtigt. Für 2011 wurden bereits Abschlagszahlungen geleistet.

Die NPD ist laut Verfassungsschutz "eine ideologisch fest gefügte Partei mit einer geschlossenen rechtsextremistischen Weltanschauung". Sie gilt als rassistisch, ausländerfeindlich und antisemitisch. Ob sie auch verfassungswidrig ist, konnte nicht abschließend festgestellt werden.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte vor der Konferenz noch einmal vor Schnellschüssen gewarnt. "Wenn man ein solches Verbotsverfahren macht, muss man wissen, dass man es gewinnen muss", sagte er. "Wenn man nicht gewinnt, wird die NPD triumphieren. Ich habe immer gesagt, das darf auf keinen Fall passieren." Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) sagte: "Wenn wir scheitern, weil wir zu schnell gewesen sind, haben wir alle falsch gemacht, was man falsch machen kann."

Hamburgs Innensenator Michael Neumann (SPD) kritisierte die skeptische Haltung einiger Länder zu einem neuen Anlauf für ein NPD-Verbot. "Einzelne Landesfürsten der Union, allen voran die Innenminister Hessens und Niedersachsens, haben bisher leider alle Versuche blockiert, ein neues NPD-Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Deshalb werde es zunächst keinen einvernehmlichen Beschluss dazu geben können. Auch im Bundesrat sei derzeit keine Mehrheit für ein neues Verbotsverfahren in Sicht. Vor diesem Hintergrund forderte Neumann die Bundesregierung auf, den Verbotsantrag gegen die NPD beim Bundesverfassungsgericht zu stellen. "Bei gutem Willen kann der Antrag auf ein NPD-Verbot noch im ersten Halbjahr 2012 in Karlsruhe eingereicht werden."