Rentner dürfen sich auf 2012 freuen: Die Altersbezüge steigen im Schnitt um 28 Euro. Die Rentenkasse ist gefüllt, die Beiträge können sinken. Was das bedeutet, hier bei abendblatt.de.

Würzburg/Berlin. Das ist eine gute Nachricht für Rentner: Mitten in der Finanzkrise gibt es für die 20 Millionenvon ihnen in Deutschland mehr Geld: Ihre Altersbezüge werden im kommenden Jahr zum 1. Juli voraussichtlich um 2,3 Prozent (West) und 3,2 Prozent (Ost) steigen. Das liegt nur knapp über der Inflationsrate, ist aber ein positives Signal. Der Durchschnittsrentner (1236 Euro im Monat) hat damit 28,43 Euro im Monat mehr. Es scheint sich zu bewahrheiten, dass die Rentenreformen sowie die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt zu einer stabilen Situation für Rentner und Beitragszahler geführt hat. Denn auch die Beiträge zur Rentenversicherung, die sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen, werden von 19,9 Prozent vom Bruttogehalt auf 19,6 und im Jahr 2014 sogar 19,1 Prozent sinken. Für einen Durchschnittsverdiener (32 000 Euro brutto im Jahr) bedeutet das mittelfristig gut zehn Euro mehr pro Monat.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte, das Rentensystem sei "kerngesund". Der frühere Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) bezeichnete die Rentenversicherung angesichts der deutlichen Rentenanhebung als "die modernste Altersvorsorge". Dem Abendblatt sagte Blüm, die Rentenversicherung habe Krisen, Inflationen und Währungsreformen überstanden. "Nun hat die Rente auch die Kapitalmarktturbulenzen überlebt."

Der Präsident der Rentenversicherung, Herbert Rische, sagte, es brächen jetzt zwar keine goldenen Zeiten für Rentner an. Aber sie könnten, falls die gute Konjunktur anhalte, auch mittelfristig profitieren. Soll heißen: Nach Jahren von Nullrunden und erzwungenen Rentengarantien sind dann auch wieder Erhöhungen von deutlich über der Inflationsrate möglich. Rische nannte alle Zahlen unter Vorbehalt, denn erst im Frühjahr werde die Rentenerhöhung genau festgesetzt. Und er warnte: "Wenn sich die Finanzkrise auf den Arbeitsmarkt auswirkt und die Löhne nicht steigen, bleibt für die Rentner nicht viel übrig."

Streit gibt es um die Entlastungen der Beitragszahler wahrscheinlich zum 1. Januar. Wenn die Reserven der Rentenversicherung mehr als das 1,5-Fache einer Monatsausgabe betragen, muss der Beitrag abgesenkt werden. Gegen diesen gesetzlichen Mechanismus wehren sich Gewerkschaften und Teile der Opposition. "Wir sollten das Geld lieber in die Bekämpfung der Altersarmut stecken", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Derzeit gelten 2,4 Millionen Rentner als bedürftig. Der Arbeitgebervertreter in der Rentenversicherung, Alexander Gunkel, lehnte den DGB-Vorstoß ab. Zum Kampf gegen Altersarmut dürften keine Gelder der Rentenversicherung verwendet werden. Arbeitsministerin von der Leyen plant eine sogenannte Zuschussrente, damit Kleinverdiener im Alter künftig mindestens 850 Euro monatlich zur Verfügung haben. Doch ihr Modell ist bei Gewerkschaften, Arbeitgebern und in der Rentenversicherung umstritten.

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Es war einer der Tage, an denen Norbert Blüm noch einmal in seinen politischen Kampfanzug schlüpfte. Er, der 16 Jahre als Arbeitsminister das Credo der sicheren Rente gepredigt hatte und zusehen musste, wie sein SPD-Nachfolger Walter Riester die private Zusatzvorsorge einführte, warf sich noch einmal für sein politisches Lebenswerk ins Zeug. "Wer jetzt noch sagt, die private Rentenversicherung sei besser als die blümsche Rentenversicherung, der hat die vergangenen Jahre entweder in der Antarktis auf der Eisscholle oder in der Sahara ohne Handyempfang gelebt", sagte Blüm dem Abendblatt. Die Rentenversicherung biete viel mehr Sicherheit als alle anderen Rentenmodelle. "Diese Sicherheit bietet die Riester-Rente nicht."

Blüms Selbstbewusstsein hatte seinen Grund. Deutlich stärker als angenommen werden die Renten vom 1. Juli 2012 an steigen. Und die Entwicklung der Rentenkasse eröffnet die Möglichkeit, den Beitragssatz für Arbeitnehmer und Firmen zu senken. Die Senkung wird dann fällig, wenn in den Rentenkassen eineinhalb Monatsausgaben als Reserve angespart sind. Opposition, Gewerkschaften und Sozialverbände warnten allerdings umgehend vor einer Absenkung. Die Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Elke Ferner, sagte dem Abendblatt: "Die Bundesregierung sollte auf die mögliche Absenkung der Rentenbeiträge verzichten. Die Rücklagen können sinnvoller verwendet werden. So müssten die Erwerbsminderungsrenten dringend gestärkt werden."

Linken-Parteichef Klaus Ernst erklärte, dass nach zehn Jahren Rentenkürzung Beitragssenkungen nicht in die Landschaft passten. "Wenn es mehr Einnahmen gibt, muss es mehr Rente geben. Die Überschüsse sollten vor allem für die Einführung einer Mindestrente und die Rücknahme der Rente ab 67 eingesetzt werden", forderte er. Auch Ex-Arbeitsminister Blüm sprach sich gegen Beitragssenkungen 2012 aus. Das Hin und Her der Beiträge mache keinen Sinn.

Der CSU-Landesgruppengeschäftsführer Stefan Müller wies die Forderungen der Opposition klar zurück: "Die Sozialkassen sind keine Sparbüchsen", sagte er dem Abendblatt. Wenn es finanzielle Spielräume für Beitragssenkungen gebe, dann sollten sie auch genutzt werden. "Entscheidend ist aber, dass die Senkungen auch nachhaltig sind." Der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, stellte klar: "Die Diskussion ist überflüssig." Es gebe einen gesetzlichen Automatismus in der Rentenversicherung: Steigt die Rücklage über ein bestimmtes Niveau, dann wird der Beitrag gesenkt. Es gibt keinen Grund, daran etwas zu ändern. Es ist richtig, die Beitragszahler zu entlasten", sagte Laumann.

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Eine repräsentative Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hatte allerdings ergeben: Vier von fünf Deutschen wollen die Rentenbeiträge auf ihrem Niveau belassen. In der Krise kommt den Bürgern offenbar eine Entlastung suspekt vor. Selbst die Anhänger von Union (71 Prozent) und FDP (64 Prozent) bevorzugen eine stärkere Bekämpfung der Altersarmut. "Die Menschen wollen mehr Sicherheit im Alter" - und eben keine kleine Beitragssenkung, so DGB-Vorstand Annelie Buntenbach. Dabei könnte die schwarz-gelbe Regierungskoalition die Beitragssenkung auf ihre ohnehin geplante "Steuersenkung light" anrechnen und so einen politischen Erfolg verbuchen. Dass die prall gefüllte Rentenkasse Begehrlichkeiten in Berlin wecken könnte, schwant auch dem Präsidenten der Rentenversicherung, Herbert Rische: "Je mehr Geld da ist, desto sinnlicher wird die Politik. Und wenn sie sinnlich ist, gibt sie Geld aus."

Rische übte im Verbund mit Gewerkschaften und Arbeitgebern auch Kritik an den Plänen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gegen Altersarmut. Die von ihr geplante Zuschussrente sei nicht das richtige Rezept gegen Altersarmut, sagte der Arbeitgebervertreter in der Rentenversicherung, Alexander Gunkel. Von der Leyens bislang vorliegendes Konzept sieht eine Art Mindestrente von 850 Euro im Monat vor. Allerdings ist das an strenge Voraussetzungen geknüpft. Wer diese Zuschussrente beantragt, muss 45 Jahre rentenrechtliche Zeiten aufweisen, davon 35 Jahre eingezahlt haben und eine private Rentenversicherung wie eine Betriebsrente oder eine Riester-Rente abgeschlossen haben. Im Alter wird dann außerdem geprüft, ob der Partner deutlich höhere Einnahmen hat.

Arbeitgebervertreter Gunkel machte klar, dass von der Leyens Rechnung nicht aufgeht: Wenn beispielsweise eine Verkäuferin während ihres Arbeitslebens 60 Prozent vom Durchschnittslohn verdient hat, ihr Kind bis zum zehnten Lebensjahr zu Hause betreut hat, sieht die Bilanz so aus: Sie bekommt 590 Euro gesetzliche Rente, 100 Euro aus dem Riester-Vertrag und 160 Euro Zuschussrente vom Staat, um auf 850 Euro zu kommen. Wenn dieselbe Frau nur bis zum sechsten Lebensjahr des Kindes zu Hause bleibt, erhält sie 700 Euro gesetzliche Rente, 100 Euro von Riester, aber nur 50 Euro Zuschussrente. Im Alter hätte sie nach von der Leyens Plänen also nicht mehr Geld, obwohl sie länger gearbeitet hat. Das kritisiert auch der DGB: "Wir finden auch die Pflicht zur Riester-Rente problematisch, weil es viele Geringverdiener gibt, die sich die private Altersvorsorge nicht leisten können", sagte DGB-Vorstand Buntenbach. Rentenpräsident Rische warnte außerdem vor neuer Bürokratie, sollten von der Leyens Pläne nicht noch abgewandelt werden.

Die Rentenerhöhung seit dem Jahr 2000:

2000: Zum 01.07. um 0,60 Prozent (Westdeutschland) und 0,60 Prozent (Ostdeutschland)

2001: Zum 01.07. um 1,91 Prozent (West) und 2,11 Prozent (Ost)

2002: Zum 01.07. um 2,16 Prozent (West) und 2,89Prozent (Ost)

2003: Zum 01.07. um 1,04 Prozent (West) und 1,19Prozent (Ost)

2004: Keine Anpassung

2005: Keine Anpassung

2006: Keine Anpassung

2007: Zum 01.07. um 0,54 Prozent (West) und 0,54Prozent (Ost)

2008: Zum 01.07. um 1,10 Prozent (West) und 1,10Prozent (Ost)

2009: Zum 01.07. um 2,41 Prozent (West) und 3,38Prozent (Ost)

2010: Keine Anpassung

2011: Zum 01.07. um 0,99 Prozent (West) und 0,99Prozent (Ost)

2012: Zum 01.07. um 2,30* Prozent (West) und 3,20* (* = Prognose)