Wir brauchen eine andere Mentalität, um den demografischen Wandel zu meistern.

Im Jahr 2030 ist Deutschland ein Pilz. Man braucht gar nicht so viel Fantasie, um aus der sogenannten Alterspyramide, die die Altersstruktur der Bevölkerung grafisch darstellt, für die Zeit in 19 Jahren genau das zu erkennen: einen Pilz. Schmaler Stamm, breiter Schirm. Übersetzt für die 80 Millionen Menschen in der Bundesrepublik heißt das: wenig Junge, viele Alte. Nichts Neues, wenn man ehrlich ist, hängt der demografische Wandel doch seit Jahren wie ein Damoklesschwert über unseren Köpfen.

Düstere Zukunftsaussichten also für den viel beschworenen Generationenvertrag. Immer weniger Junge zahlen in die Kassen ein, immer mehr Alte wollen Rente beziehen. Das kann nicht funktionieren. Die Politik hat deshalb reagiert und an einer der verfügbaren Stellschrauben gedreht: Am Renteneintrittsalter, das ab 2012 schrittweise auf 67 Jahre angehoben wird. Der erste Jahrgang, den es voll trifft, ist jener der 1964 Geborenen. Die heute 47-Jährigen werden erst 2031 und nicht schon 2029 in den Ruhestand gehen. Wenn es soweit ist, sind sie genau da, wo der Pilz an seinem Schirm am breitesten ist.

In der Theorie klingt die Rente mit 67 logisch. In der Praxis führt sie aber zu heftigen emotionalen Debatten, in denen es meistens um Fairness geht. Um die Anerkennung der Lebensleistung derer, die schwer schuften und nach 45 oder mehr Arbeitsjahren endlich in den Ruhestand gehen. Respekt vor dem Alter gehört zudem nach wie vor zu den Grundtugenden. Eine Mehrheit ist aber nach wie vor für die Rente mit 65, und wehe dem, der sie anrührt.

Wenn man aber von Fairness spricht, darf man auch die Jungen nicht vergessen. Sie durchlaufen ein immer straffer werdendes Bildungssystem, um fit zu werden für die Leistungsgesellschaft. Turbo-Abi in acht statt neun Jahren auf dem Gymnasium, eng getaktete Bachelor- und Masterstudiengänge, dazwischen Praktika, am besten im Ausland. Die Wirtschaft lechzt nach Akademikern und Fachkräften. Wer heute jung ist, macht das alles mit. Trotz der Aussicht, künftig mit immer höheren Rentenbeiträgen belastet zu werden.

Die immer älter werdende deutsche Gesellschaft steht also vor einem Dilemma: Entweder tragen die Jungen künftig eine größere Last - oder die Älteren gehen später in den Ruhestand. Der Generationenvertrag basiert jedoch auf Solidarität und Verantwortung. Wenn keiner zu Abstrichen bereit ist, wird dieses Ausgleichssystem nicht mehr funktionieren. Es wird deshalb eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe werden, der Rente mit 67 oder sogar 70 ihren Schrecken zu nehmen.

Dazu gehört die Einsicht, dass nicht alle Arbeitnehmer bis zu diesem Alter tätig sein können. Es ist die Aufgabe der Unternehmen, neue Modelle altersgerechter Beschäftigung zu entwickeln. Wegen des Fachkräftemangels werden sie über kurz oder lang ohnehin darauf angewiesen sein. Die Politik muss dabei den Boden für angemessene Löhne bereiten - denn nur ein sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplatz stützt das System. All das hilft und schiebt einen noch viel grundlegenderen, individuellen Prozess an: Die Erkenntnis, dass Arbeit mehr sein kann als Broterwerb und mehr als acht Stunden, die man hinter sich bringt. Schon heute ist jeder Dritte bereit, später in Rente zu gehen - weil eine Beschäftigung eben auch sinnstiftend und erfüllend sein kann. Es wird auch eine Mentalitätsfrage sein, ob Deutschland den demografischen Wandel meistern wird.