Gewerkschaften wollen sie aussetzen, Regierung und Arbeitgeber Kurs halten und ab 2012 Renteneintrittsalter schrittweise erhöhen

Würzburg. Angesichts prall gefüllter Rentenkasse geht der Streit um eine längere Arbeitszeit der Deutschen in eine neue Runde. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will die Rente mit 67 verzögern, weil noch nicht genügend ältere Menschen einen festen Job haben. Am Wochenende werden wieder Tausende auf die Straßen gehen, um gegen das Sparpaket der Bundesregierung und die bereits von der Großen Koalition 2007 beschlossene Rente mit 67 zu demonstrieren.

"Die Rente mit 67 muss ausgesetzt werden", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach bei der Präsentation der überraschend guten Zahlen der Rentenversicherung. Von den über 55-Jährigen hätten zu wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt, wenn sie derzeit keinen Job haben. Die gesunkene Arbeitslosigkeit und der für nächste Woche angekündigte Bericht von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Rente mit 67 hat bereits jetzt einen Streit um die Deutungshoheit über die Zahlen ausgelöst.

Erbittert ringen Arbeitgeber und Gewerkschaften sowie die Regierung mit großen Teilen der SPD und mit den Linken um Erhöhung des Renteneintrittsalters. Die SPD will sie erst, wenn mindestens die Hälfte der 60- bis 64-Jährigen sozial-versicherungspflichtig beschäftigt sind. Die Linken sehen gar keinen Sinn in der Rente mit 67, die ab 2012 bis 2029 schrittweise eingeführt wird. Sie haben errechnet: Ohne die neue Altersgrenze steigen die Rentenbeiträge auch nicht viel höher als derzeit absehbar (bis 2030 auf 22 Prozent).

Die Arbeitgeber jedoch verweisen auf die stark gestiegene Beschäftigungsquote Älterer in den vergangenen Jahren. 2001 waren in Deutschland nur 37,9 Prozent der über 55 Jahre alten Menschen erwerbstätig. 2009 waren es bereits 56,2 Prozent: jeder Zweite. Der EU-Durchschnitt (46 Prozent) wurde erst unter-, dann überschritten. "Hier müssen wir Kurs halten und die Frühverrentung weiter ausschalten. Das ist die Marschroute für die Politik", sagte Alexander Gunkel, der für die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) im Vorstand der Rentenversicherung sitzt. Gunkel sagte dem Abendblatt: "Wir brauchen eine altersgerechte Personalpolitik, Weiterbildung und neue Möglichkeiten in den Tarifverträgen. Das A und O für die höhere Beschäftigungsquote Älterer ist aber die Arbeitsmarktsituation insgesamt." Und da stünden die Zeichen derzeit sehr gut. Doch DGB-Vorstand Buntenbach widersprach: "Es muss noch eine Menge passieren, damit Menschen länger gesund in Lohn und Brot bleiben."

Einig waren sich Gewerkschafterin und Arbeitgeber, dass man mit Teilrenten den Übergang in den Ruhestand flexibler gestalten kann. Dabei reduziert man die Arbeitszeit und zieht einen Teil der späteren Rentenzahlung schon vor. Das schmälert zwar die Rente. Es wirkt sich aber nicht so gravierend aus wie jetzt. Zurzeit scheidet die Hälfte der Altersrentner vor dem 65. Geburtstag aus dem Berufsleben und verzichtet lebenslang im Schnitt auf 114 Euro Rente pro Monat. In Zukunft, so Gunkel, solle man die Regeln für die Hinzuverdienstgrenzen einfacher gestalten.