Schleswig-Holsteins Ex-CDU-Chef kritisiert die eigene Partei und den Ministerpräsidenten. Er fühle sich “wie Dr. Kimble auf der Flucht“.

Hamburg/Kiel. Der frühere CDU-Spitzenkandidat in Schleswig-Holstein, Christian von Boetticher, fühlt sich nach Bekanntwerden seiner Affäre mit einer Minderjährigen schlecht behandelt. Er werde „verfolgt wie ein Krimineller, der die Bank of England ausgeraubt hat“, und fühle sich „wie Dr. Kimble auf der Flucht“, sagte er dem „Focus“. Er kündigte an, Schleswig-Holstein für längere Zeit zu verlassen. Boetticher war am vergangenen Sonntag als CDU-Landesvorsitzender zurückgetreten, nachdem seine frühere Beziehung zu einer 16-Jährigen bekannt geworden war. Auch den Fraktionsvorsitz gab er ab. Der CDU-Politiker sagte weiter: „Für mich war das eine öffentliche Hinrichtung auf Basis moralischer Wertungen.“ Er versuche nun, von seinem Ruf „zu retten, was zu retten ist“.

„Zeit, um mein Leben neu zu sortieren“

Über seine Pläne, das Bundesland für eine Weile zu verlassen, sagte Boetticher der „Bild am Sonntag“: „Ich nehme mir die Zeit, um mein Leben neu zu sortieren und über meine Zukunft nachzudenken.“ Er könne sich vorstellen, als Anwalt zu arbeiten, in die Wirtschaft zu wechseln oder in die USA zu gehen. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen.

+++ Der Fall von Boetticher - wie moralisch müssen Politiker sein? +++

Der Politiker zeigte er sich empört über den Umgang einiger CDU-Kollegen mit ihm. „Ich habe ein großes Maß an Illoyalität erlebt und bin mit Blick auf die eigene Partei schwer enttäuscht“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Zu seinem langjährigen Mentor, Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, sagte Boetticher: „Der hat leider den Eindruck erweckt, ich sei ein politischer Autist, weil ich nicht begriffen hätte, dass meine Zeit als Spitzenkandidat abgelaufen war. Dabei habe ich die Sache selber in die Hand genommen und rechtzeitig die richtigen Konsequenzen gezogen.“

Fraktionsvorsitz offenbar unter Druck aufgegeben

Nach Informationen des „Spiegel“ hat die Landes-CDU Boettichers Rücktritt als Fraktionsvorsitzender verkündet, ohne dies mit ihm abzustimmen. Dies habe ein Sprecher des Politikers beklagt. Ursprünglich habe Boetticher nach dem Rücktritt als CDU-Landesvorsitzender am vergangenen Sonntag die Stimmung bei der nächsten Fraktionssitzung abwarten wollen, um dann zu entscheiden, ob er auch sein Amt als Fraktionsvorsitzender niederlegt. Diese Sitzung war auf Dienstag terminiert. Bereits Montagmittag habe dann aber eine Zeitung gemeldet, Boetticher werde auch die Fraktion nicht mehr weiterführen, dies habe ein Vorstandsmitglied bestätigt. Durch diese Meldung unter Druck gesetzt, habe Boetticher dann auch dieses Amt aufgegeben.

„Ich wusste, dass ich etwas riskiere“

Zu der Beziehung, deren Bekanntwerden zu seinem Rückzug führte, sagte Boetticher der „Bild am Sonntag“, diese habe „nichts mit einem Lolita-Effekt zu tun“. Das damals 16-jährige Mädchen sei ihm aufgefallen, weil sie als Mitglied der Jungen Union sehr intelligente Kommentare auf seiner Facebook-Seite geschrieben habe. „Ich hatte sie auf Mitte 20 geschätzt und war völlig überrascht, als sie mir ihr Alter verriet“, sagte Boetticher. Nach Darstellung des CDU-Politikers handelte es sich trotz des Altersunterschiedes um eine ernsthafte Beziehung. Er sei auch nicht „liebesblind“ gewesen: „Ich wusste, dass ich etwas riskiere.“