Die verschwundenen Pläne für die BND-Zentrale sind brisanter als behauptet. Für Präsident Uhrlau wird es ernst. Scharfe Kritik in der Koalition.

Berlin. An der Stelle, wo bald Deutschlands Geheimdienst arbeiten soll, stand einst das "Stadion der Weltjugend". Ein offener Bau, große Tribünen für 50 000 Menschen, ein weites Feld für die Sportfeste der DDR. Von drei Seiten war das Stadion im Bezirk Berlin-Mitte umringt von der Mauer, Grenzposten der DDR patrouillierten in den Straßen. Heute patrouillieren Männer in grünen und blauen Uniformen auf Berlins geheimster Baustelle. Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) sollen verhindern, dass Wanzen in den Rohbau eingeschleust oder Baupläne gestohlen werden. Erst im vergangenen Jahr forderte der BND vom Bund weitere 25 Millionen Euro für Wachleute.

Nun aber wachsen die Zweifel an der Sicherheit für den Auslandsgeheimdienst. Baupläne sind verschwunden und sie sollen, anders als bisher behauptet, wichtige Informationen enthalten - über Laboratorien, Einzelbüros und ein großes Spezialarchiv. Zudem gebe es Angaben über Sicherheitsschleusen, Spezialverglasungen, Notausgänge sowie "Einbruchshemmungen", berichten nun die Magazine "Focus" und "Spiegel".

Anfangs hatte es noch geheißen, die geklauten Pläne seien harmlos, weil sie keine sicherheitsrelevanten Gebäudeteile zeigten. Die jetzt bekannt gewordenen detaillierten Darstellungen dürften die BND-Spitze aber in Bedrängnis bringen. Sie will den für 2014 geplanten Umzug der rund 4000 Mitarbeiter in den Neubau so geräuschlos wie möglich vollziehen. Teuer genug wird dieser ohnehin: bis zu 1,5 Milliarden Euro werden der Umzug aus Pullach und der Neubau kosten. Schlechte Nachrichten über den Diebstahl der geheimen Unterlagen könnten die Planungen samt Kalkulation also gefährden. So sieht es offenbar auch der BND selbst.

Schon am vergangenen Dienstag hatte der sonst auf besondere Geheimhaltung bedachte Nachrichtendienst seine Sicht der Dinge nach außen getragen. BND-Präsident Ernst Uhrlau suchte die Offensive und sagte, er sehe im Moment nicht, dass hochbrisantes Material den Weg an fremde Empfänger gefunden habe. Er schloss aus, dass möglicherweise Leute aus dem eigenen Haus das Material an Medienvertreter gegeben hätten. "Für den BND gilt: Wir sind komplett." Und daher gebe es auch keinen Grund für Umbauten oder neue Planungen. War Uhrlau mit seinem Urteil zu schnell an die Öffentlichkeit gegangen? In der Koalition regt sich inzwischen Kritik. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe Stefan Müller forderte den Nachrichtendienstchef auf, seine ursprünglichen Aussagen zu den entwendeten Bauplänen der BND-Zentrale zu revidieren. Uhrlau müsse nun seine erste, offensichtlich etwas zu vorschnelle Einschätzung korrigieren, sagte Müller dem Abendblatt. "Gründliche Aufklärung sieht anders aus. Es muss nun rasch Klarheit geschaffen werden", hob Müller hervor. Der CSU-Politiker machte deutlich, dass das Bekanntwerden der neuen Details um den Bau der BND-Zentrale ein Nachspiel haben werde. Es müssten soweit notwendig entsprechende Konsequenzen gezogen werden - "für den Bau und die Verantwortlichen". Das Verschwinden der Baupläne sei kein harmloser Vorgang.

Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, kritisierte die Haltung des BND nach dem Motto "Alles halb so schlimm, alles kein Problem". Man könne doch nicht an einem Tag eine gründliche Untersuchung der Vorgänge beschließen und am nächsten Tag schon das Ergebnis verkünden. Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier (CDU), hatte Unmut über Uhrlau geäußert. Ex-Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer sagte dem "Focus", beim "Umgang mit dem aktuellen Problem sind nur Laienschauspieler am Werk".

Der BND ist selbst nicht Bauherr des neuen Hauptquartiers. Zuständig ist das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, das dem Bauministerium unterstellt ist. Der Nachrichtendienst wird als Mieter in den Komplex einziehen. 250 Firmen sind am Bau beteiligt - mit etlichen Subunternehmen.

Der parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, forderte im Abendblatt eine Überprüfung des Sicherheitskonzepts für den Neubau, sollte sich bei der Aufklärung der Fall herausstellen, dass die "Sicherheitsvorkehrungen nicht ausreichen". Für Ahrendt ist bei der Aufklärung klar: "Nicht nur BND-Chef Ernst Uhrlau steht in der Verantwortung, sondern auch Verkehrsminister Peter Ramsauer."

So sieht es auch die SPD - und nimmt neben Ramsauer auch Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) ins Visier. Beide sollen nach der Sommerpause vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium aussagen. Der Vorsitzende des geheim tagenden Gremiums, SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann, bezeichnete die neuen Details über die Pannen am BND-Bau als "verwirrend und ärgerlich". Das Kanzleramt sei für die Koordinierung der Geheimdienste zuständig, das Bauministerium trage Verantwortung für den Neubau der Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin.