Sensible Baupläne sind verschwunden. Dennoch will der BND die neue Zentrale nicht umbauen. Sicherheitsleck birgt große Gefahren.

Hamburg/Berlin. Ein Gespräch mit Ernst Uhrlau zu vereinbaren, bedarf für Journalisten üblicherweise monatelanger Vorgespräche. Der Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), des deutschen Auslandsgeheimdienstes, ist ein viel beschäftigter Mann, dessen Amt eine gewisse Öffentlichkeitsscheu mit sich bringt. Doch gestern galten andere Regeln in Berlin. Am Mittag kündigte die Pressestelle des BND an, dass am Nachmittag Uhrlau zu einer Pressekonferenz lade - ein fast schon unerhörter hektischer Vorgang. Schließlich trat Uhrlau mit einer Kernbotschaft vor die Presse: "Ich sehe im Moment nicht, dass hochbrisantes Material den Weg an fremde Empfänger gefunden hat."

Ein Bericht des "Focus" hatte Bewegung in den nach außen gelegentlich träge wirkenden BND-Apparat gebracht. Pläne der gerade im Bau befindlichen Geheimdienstzentrale in Berlin-Mitte sollen gestohlen sein. Dem Nachrichtenmagazin zufolge handelt es sich um "hochpräzise Karten", unter anderem der sensiblen Technik- und Logistikzentrale des gewaltigen Gebäudekomplexes, in dem später einmal mehr als 4000 Menschen arbeiten sollen. Die Pläne sollen Aufschluss geben über Standorte von Lüftungsschächten, Sicherheitsschleusen oder auch über die Beschaffenheit von Mauern.

Bereits am Freitag hatte das Magazin den Nachrichtendienst um eine Stellungnahme gebeten und damit Unruhe ausgelöst. Umgehend informierten die Verantwortlichen Uhrlau und das Kanzleramt, das den Dienst führt. Es war klar, welche die Brisanz die Informationen haben könnten: Ein Sicherheitsleck könnte Spionen oder Terroristen die Schwachpunkte der künftigen Agentenfestung verraten. Ein Szenario, das gleich mehrere Dimensionen haben könnte: Einerseits wurden Befürchtungen vor neuen Umbauten und damit vor Millionenkosten laut - und das, nachdem der Bau mit 1,3 Milliarden Euro bereits deutlich teurer ist als vorgesehen. Vor allem aber birgt der Vorgang auch politischen Sprengstoff: "Wie es jetzt mit BND-Chef Uhrlau weitergeht, das hängt jetzt ganz wesentlich davon ab, wie er mit dem Datenleck umgegangen ist", sagte Wolfgang Bosbach, Sicherheitsexperte der CDU-Bundestagsfraktion, dem Abendblatt. "Hat er sofort reagiert und das Kanzleramt umgehend informiert? Falls nicht, hat Uhrlau jetzt ein Problem."

BND-Chef Uhrlau hat alle Stürme überstanden: Den Untersuchungsausschuss, der sich mit der Rolle des Bundesnachrichtendienstes im Irak beschäftigte. Oder die Affäre um eine Abhöraktion, bei der Uhrlaus Leute auch Mails einer "Spiegel"-Journalistin mitlasen. Der gebürtige Hamburger Uhrlau hat Kritik und Vorwürfe abgeschüttelt wie Straßenstaub - wie üblich geduldig lächelnd - , ohne sich ein einziges Mal aus der Reserve locken zu lassen. Obwohl Uhrlau Sozialdemokrat ist, konnte er sich auch unter der schwarz-gelben Regierung halten. 65 Jahre ist Uhrlau jetzt alt, Ende des Jahres will er in Pension gehen.

Doch von einer Datenpanne kurz vor Schluss will er sich seine Amtsbilanz nicht vermiesen lassen - und rief vielleicht auch deswegen so eilig zur Pressekonferenz. Uhrlau trat gewohnt zurückhaltend auf, beantwortete ruhig und mit stets mildem Gesichtsausdruck die Fragen. Die Schuld an dem Datenleck sieht er nicht beim BND, das wollte der Geheimdienstchef unbedingt klarstellen. Alle Arbeiter auf der rund 260 000 Quadratmeter großen Baustelle seien überprüft worden. Von dem Leck wisse man erst aus den Medien. Umbauten seien nicht nötig, der Bauplan könne eingehalten werden, Mehrkosten fielen nicht an.

Dass Informationen nach draußen gelangt sind, stritt Uhrlau nicht ab. Doch Bauherr sei das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, "wir sind nur die Mieter", betonte Uhrlau mehrmals. Als die Konferenz endete, waren manche Fragen unbeantwortet geblieben. Und die Botschaft des obersten Spions hatte sich auffallend nach "alles halb so schlimm" angehört. Darüber, wie ernst die Geheimen es mit der Wachsamkeit nahmen, blieben Zweifel. Das Argument der Nicht-Zuständigkeit zumindest überzeugt die Innenpolitiker des Bundestags nicht: "Ein Nachrichtendienst muss natürlich selbst überprüfen und sicherstellen, dass seine Geheimnisse jederzeit gewahrt bleiben", so Bosbach. Eine Untersuchungskommission des BND soll nun klären, wie die Daten verschwinden konnten. Was sie herausfindet, wird Uhrlau wohl nicht so schnell verraten.