Gegner und Befürworter der Präimplantationsdiagnostik ringen um ein Gesetz. Der Hamburger Weihbischof Jaschke warnt vor Selektion.

Hamburg. Dürfen Paare mit der Veranlagung, schwer kranke und nicht lebensfähige Kinder zu bekommen, nach einer künstlichen Befruchtung Embryonen-Gentests durchführen lassen? Diese ethisch heikle Frage über die mögliche Zulassung der Präimplantationsdiagnostik (PID) stand gestern im Mittelpunkt einer Grundsatzdebatte im Bundestag. Gegner warnten vor einem Dammbruch - bis hin zu Embryonenselektion und Diskriminierung. Die Fürsprecher einer begrenzten Zulassung wollen erblich vorbelasteten Paaren die Entscheidung für ein Kind erleichtern. Die Lager gehen quer durch die Fraktionen.

Drei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe verhandelten die Parlamentarier. Während ein Antrag ein völliges Verbot vorsieht, laufen die beiden anderen Entwürfe auf eine Freigabe mit strengen Auflagen hinaus. Bei der PID werden durch künstliche Befruchtung im Reagenzglas erzeugte Embryonen noch vor dem Einpflanzen in den Mutterleib gentechnisch untersucht und gegebenenfalls ausgesondert. Eine Neuregelung steht an, weil der Bundesgerichtshof im Juli 2010 das bisherige Verbot gekippt hatte.

"Wir öffnen nicht alle Türen für die PID", warb die FPD-Abgeordnete Ulrike Flach für den weitestgehenden Gesetzesentwurf, den sie gemeinsam mit Kollegen Carola Reimann (SPD) und Peter Hintze (CDU) einbrachte. Sie sprach von einem "rechtlich sicheren Weg für Familien in Not". Einer Frau Wissen über den Embryo vorzuenthalten führe zur Schwangerschaft auf Probe. Auch Hintze mahnte, der Gesetzgeber habe die Pflicht, Paaren eine frühe Auflösung innerer Konflikte zu ermöglichen "und nicht das Drama eines Schwangerschaftsabbruchs abzuwarten". Konkret sieht der Gesetzesentwurf vor, dass die PID nicht rechtswidrig sein soll, wenn die Nachkommen "eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine schwerwiegende Erbkrankheit haben". Gemessen an den Unterschriften unter den Entwürfen hat diese Initiative mit 215 von 620 Abgeordneten die meisten Unterstützer, zu denen auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gehört.

Befürworter eines PID-Verbots warnten dagegen vor einem Dammbruch und Design-Kindern aus dem Reagenzglas. So mahnte die rheinland-pfälzische CDU-Chefin Julia Klöckner, dass der Druck auf Frauen, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen, steigen werde. Die ehemalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte, es gebe "kein Recht auf ein gesundes Kind". Die PID breche mit dem Prinzip, "dass sich jedes Leben um seiner selbst willen entwickeln darf". Auch der CSU-Abgeordnete Johannes Singhammer plädierte für das komplette Verbot der Gentests: Eine "Qualitätskontrolle menschlichen Lebens kann nicht gelingen". Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Birgit Bender kritisierte eine mögliche Auswahl "passender Embryonen". Die PID schaffe eine "Option auf Selektion". Auch der Linken-Abgeordnete Ilja Seifert, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt, bekannte sich zu einem Verbot der PID. Jeder Mensch sei einmalig, und diese Vielfalt mache die Menschheit aus. Das Verbot wird bislang von 192 Parlamentariern unterstützt. Zu den PID-Gegnern zählen auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Für eine Zulassung in engen Grenzen trat der SPD-Abgeordnete René Röspel ein. Der Antrag, der auch von Norbert Lammert (CDU) und Priska Hinz (Grüne) getragen wird, beschränkt die PID auf Paare, bei denen eine erbliche Belastung "mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Schädigung des Embryos, Fötus oder Kindes zur Folge hat, die zur Tot- oder Fehlgeburt oder zum Tod im ersten Lebensjahr führen kann". Dieser Entwurf hat mit bislang 36 Unterstützern die geringste Chance auf eine Mehrheit. Die Entscheidung soll im Sommer fallen.

Der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, sagte dem Hamburger Abendblatt: "Wir müssen verhindern, dass aus der PID ein vorgeschaltetes Qualitätssicherungsinstrument für künstliche Befruchtungen wird." Montgomery verwies darauf, dass der Ärztetag die PID in einem Beschluss als unethisch verworfen und abgelehnt habe. Sollte der Bundestag die PID mit Einschränkungen zulassen, müsse sie "wenigstens auf die Paare begrenzt bleiben, die einen ganz klar umgrenzten Katalog von Erkrankungen durchlebt haben".

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke sagte dem Abendblatt, die Katholische Kirche habe eine klare Position: "PID ist der entscheidende Schritt zur Selektion eines Menschenlebens und muss weiterhin gesetzlich verboten sein", sagte Jaschke. "Ich freue mich, dass wir uns mit der Evangelischen Kirche in der klaren Ablehnung der PID einig sind."