Der CDU-Generalsekretär hofft auf eine Überraschung bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg und wirbt für mehr Frauen in Wirtschaft und Politik.

Berlin. Gut drei Wochen Zeit haben die Hamburger Christdemokraten noch, um den gewaltigen Vorsprung von SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz in den Umfragen bis zur Bürgerschaftswahl wettzumachen. Keine leichte Aufgabe - auch nicht für den CDU-Generalsekretär: in Hamburg befindet sich die CDU nur noch in einer Außenseiterrolle, im Bund dagegen ist sie stärkste Kraft und liegt in Umfragen stabil bei etwa 35 Prozent. Vor einem Wahlkampfauftritt in der Hansestadt besuchte Hermann Gröhe die Abendblatt-Redaktion.

Hamburger Abendblatt: Herr Gröhe, wie frustrierend ist es, in Hamburg für die CDU zu kämpfen?

Hermann Gröhe: Es ist vor allem lohnend, für die Hamburger CDU zu kämpfen. Unter ihrer Führung ist die Stadt ungemein nach vorn gekommen. Wenn wir heute über Hamburg reden, dann reden wir nicht mehr über verkommene Straßenzüge und eine randalierende Hausbesetzerszene, sondern über eine boomende Wirtschaftsregion und über die Umwelthauptstadt Europas. Die Bundes-CDU steht an der Seite von Christoph Ahlhaus. Wir wollen, dass das "Tor zur Welt" nicht wieder zurückfällt in rot-grünen Stillstand, sondern auf Erfolgskurs bleibt.

Die CDU liegt in den Umfragen bei Mitte 20 Prozent, die SPD bei Mitte 40. Wie wollen Sie das noch drehen?

Gröhe: Gerade die Geschichte der Hamburger Wahlen ist eine Geschichte voller Überraschungen. Und ich bin davon überzeugt, dass Menschen es nicht schätzen, wenn Politiker sich schon vor der Wahl als Sieger geben.

Sprechen Sie von Olaf Scholz?

Gröhe: Der SPD-Spitzenkandidat verhält sich so, als sei schon alles entschieden. Das zeugt von mangelndem Respekt gegenüber dem Wähler. Auch kann Scholz nicht so tun, als gäbe es eine Hamburger Parallelwelt. In Hamburg gibt er den wirtschaftsfreundlichen Bürger, in Berlin den linken Steuererhöhungsgenossen. Hier will Olaf Scholz nicht mit den Linken kooperieren, aber als SPD-Vize stellt er den anderen Landesverbänden einen Freibrief für Koalitionen mit der Linken aus. Das passt hinten und vorne nicht zusammen.

Wer kommt für die CDU als Koalitionspartner infrage?

Gröhe: Jetzt geht es nicht um Koalitions-Gedankenspiele, sondern darum, welche Politik die richtige für Hamburg ist. Ein rot-grünes Bündnis würde der Hansestadt massiv schaden! Rote Neid-Politik, gepaart mit grüner Blockade-Mentalität, wäre grundfalsch für die Elbmetropole. Ebenso wahr ist aber auch, dass der grundlose Koalitionsbruch durch die GAL nicht gerade zu einer Neuauflage von Schwarz-Grün in Hamburg einlädt.

Eine Große Koalition als Juniorpartner der SPD - eine reelle Option?

Gröhe: Nochmals: Wir kämpfen für eine starke CDU, nicht für Koalitionen.

Olaf Scholz schließt eine Koalition mit der CDU aus. Glauben Sie ihm?

Gröhe: Dass die Koalitionsaussagen der SPD oft nur eine begrenzte Halbwertszeit haben, haben wir schon vielfach erlebt - ich nenne nur das Stichwort Linkspartei. Auch ist es bemerkenswert, dass für Scholz angeblich nur die Grünen als Koalitionspartner infrage kommen, er aber zugleich so tut, als habe er mit grünen Forderungen - zum Beispiel nach einer Citymaut - nichts zu tun.

Die FDP würde derzeit um den Einzug in den Bundestag kämpfen. Was machen die Liberalen falsch?

Gröhe: Die FDP hat bei der letzten Bundestagswahl als Oppositionspartei mit plakativen Forderungen viel Zustimmung erhalten. Doch Regierungshandeln ist immer konkret, zwingt auch zu Kompromissen. Die FDP muss sich inhaltlich breiter aufstellen. Die von Christian Lindner begonnene Arbeit an einem neuen Grundsatzprogramm bietet hier eine gute Chance.

Was raten Sie der FDP?

Gröhe: Sich immer wieder bewusst zu machen, dass Streit nur schadet, nicht nutzt. Und dass wir als Koalition nur gemeinsam erfolgreich sein können.

Arbeitsministerin von der Leyen will eine feste Frauenquote von 30 Prozent in den Führungsgremien der Wirtschaft, Familienministerin Schröder reicht eine flexible Quote. Welche Ministerin unterstützen Sie?

Gröhe: Frauen und Männer müssen die gleichen Chancen haben, in Führungspositionen zu gelangen. Die Wirtschaft schadet sich doch selbst, wenn sie nur gut zwei Prozent ihrer Spitzenpositionen mit Frauen besetzt! Der Vorschlag von Ministerin Schröder, mit einer gesetzlichen Pflicht zur Selbstverpflichtung selbst festgelegte Frauenquoten bei Aktiengesellschaften zu bekommen, geht in die richtige Richtung. Das ist ein guter Ausgleich zwischen Frauenförderung auf der einen und Vertragsfreiheit und Eigentumsrecht auf der anderen Seite. Eine flexible Regelung macht Sinn - schließlich gibt es etwa zwischen der Stahl- und der Kommunikationsbranche große Unterschiede, die berücksichtigt werden müssen. Die Wirtschaft sollte aber auch bedenken: Scheitert eine verstärkte Selbstverpflichtung auf Dauer, werden wir nicht zuletzt seitens der EU einen enormen Druck bekommen, verbindlichere Vorgaben umzusetzen.

Wie erklären Sie sich, dass zwei CDU-Ministerinnen zeitgleich mit unterschiedlichen Vorschlägen kommen?

Gröhe: Als Generalsekretär einer Volkspartei beklage ich mich nicht, wenn bei solch einem wichtigen, durchaus emotionalen Thema die Diskussion lebendig geführt wird.

Die FDP ist selbst von einer flexiblen Quote für die Unternehmen wenig begeistert. Wie wollen Sie die Liberalen überzeugen?

Gröhe: Im Koalitionsvertrag haben sich Union und FDP gemeinsam zum Ziel bekannt, den Anteil von Frauen in Führungspositionen maßgeblich zu erhöhen. Nun sind alle Koalitionspartner aufgefordert, sich dem Thema unvoreingenommen anzunähern. Das angekündigte Spitzengespräch mit Wirtschaftsvertretern begrüße ich ausdrücklich. Wer eine freiheitliche Lösung will, sollte den Weg der flexiblen Regelung gehen.

Macht es sich die Politik nicht zu leicht, nur für die Wirtschaft die Quote zu fordern?

Gröhe: Es wäre falsch, mit dem Finger nur Richtung Wirtschaft zu zeigen. Auch im öffentlichen Bereich gibt es Handlungsbedarf. So gibt es zahlreiche Ärztinnen in kommunalen Krankenhäusern, aber die Chefärzte sind fast alle männlich. Das muss sich ändern!

Die Quotenvorschläge kommen ausgerechnet aus einer Partei, die im Bundestag mit nur rund 20 Prozent Frauenanteil vertreten ist. Wie wollen Sie damit umgehen?

Gröhe: Zuerst einmal: Die CDU hat mit Angela Merkel eine Vorsitzende und Kanzlerin an der Spitze. Das ist bereits ein starkes Signal. Auch achten wir sehr darauf, dass unsere Landeslisten bei Wahlen ausgewogen sind. Das allein reicht aber nicht. Wir müssen in den Wahlkreisen noch mehr Frauen als Direktkandidatinnen aufstellen.

Am Sonntag wollen sich Regierung und Opposition bei der Hartz-IV-Reform endgültig einigen. Womit dürfen wir rechnen?

Gröhe: Es ist ein zähes Ringen bis zuletzt. Ich bin aber optimistisch, dass wir bald zu einem guten Ergebnis kommen werden. Beim Bildungspaket für die Kinder von Langzeitarbeitslosen sind wir bereits sehr nah beieinander. Auch beim Thema Leiharbeit sehe ich gute Chancen für eine Verständigung. Ich warne jedoch die Opposition dringend davor, den Regelsatz wie auf einem Basar verhandeln zu wollen. Das wäre reine Willkür - und damit das genaue Gegenteil von dem, was das Bundesverfassungsgericht von uns gefordert hat. Ministerin von der Leyen hat einen ebenso präzisen wie gut begründeten Vorschlag gemacht, die Kritik an ihm ist nicht überzeugend.

Was geschieht, falls SPD und Grüne im Bundesrat am 11. Februar der Hartz-Reform wieder ihre Stimmen verweigern?

Gröhe: Dann suchen wir im Vermittlungsverfahren weiter nach einer Lösung - das wäre ein möglicher, aber überaus bedauerlicher Weg. Das Bildungspaket, auf das wir uns im Grundsatz bereits verständigt haben, muss schnellstmöglich zum Einsatz kommen. Ich kann die Opposition nur eindringlich davor warnen, den Bundesrat zur Blockade zu missbrauchen. Dies ginge zulasten der Kinder.