Mit Personalabbau, Streichung der Wissenschaftsstiftung und weniger Rücklagen will die SPD ihre Wahlversprechen finanzieren.

Hamburg. Seit Wochen wurde Olaf Scholz kaum eine Frage so oft gestellt wie diese: Wie finanzieren Sie Ihre Wahlversprechen? Gestern nun legte der SPD-Spitzenkandidat zusammen mit seinem Finanzexperten Peter Tschentscher die Karten auf den Tisch - und zu sehen war nicht die eine große Schatzkarte, die zu den versteckten Millionen der Stadt führt, sondern ein Mosaik aus vielen kleinen Schnipseln, die ein Sparpotenzial von 244 Millionen Euro aufdecken. Da die SPD "nur" 200 Millionen Euro Mehrausgaben plane, habe man noch "Wasser unterm Kiel", so Scholz und Tschentscher.

Unter anderem soll die Verwaltung in der nächsten Legislaturperiode um jährlich 250 Köpfe schrumpfen (bringt 25 Millionen Euro pro Jahr); jedes Jahr sollen 10 000 Quadratmeter überflüssige Bürofläche aufgegeben werden (2,4 Millionen); gemäß den Vorschlägen der Bezirksamtsleiter sollen Doppelstrukturen in Behörden und Bezirken abgebaut werden (2,0 Millionen); die Kosten für die Beauftragung externer Gutachter soll auf 18 Millionen Euro zurückgefahren werden (2,0 Millionen); das Neue Haushaltswesen (NHH) wird verschlankt (13,8 Millionen); die Sonderbehörde "Schulbau" darf ihre Personalkosten nicht weiter steigern (3,0 Millionen); die Wissenschaftsstiftung soll aufgegeben werden (10,0 Millionen); "sächliche Verwaltungsausgaben" wie Büromaterial sollen auf acht Millionen begrenzt werden (18,0 Millionen); die Einführung eines neue Computersystems in der Sozialbehörde wird ausgesetzt (11,9 Millionen) und die Zinsen für Kredite sollen um 18,4 Millionen Euro gesenkt werden - möglich sei das, weil Schwarz-Grün Schulden "auf Vorrat" gemacht habe, so Tschentscher.

Das größte Sparpotenzial sieht die SPD in den "Rückstellungen für Mehraufwendungen". Über diesen Haushaltsposten werden üblicherweise Mehrausgaben abgefedert, etwa für höhere Löhne nach Tarifverhandlungen oder weil die Zahl der Empfänger von Sozialleistungen unerwartet gestiegen ist. Diesen zu CDU-Zeiten auf bis 188 Millionen Euro gewachsenen Posten will die SPD auf früher übliche 50 Millionen reduzieren.

Zusätzlich zu diesen Einsparungen bei den laufenden Ausgaben stellt die SPD auch Investitionen infrage: Dazu gehören der bereits begonnene Neubau der Umweltbehörde in Wilhelmsburg, neue Gemeinschaftsstraßen, "Luxusinvestitionen" wie der Bau der HafenCity-Universität, unterirdische Schießstände der Polizei und das "Haus des Waldes" sowie die Stadtbahn in der derzeit geplanten Form. Der Stopp dieser Projekte hänge aber noch von Prüfungen ab und sei nicht ins Konzept eingeflossen.

Ausgeben wollen die Genossen das eingesparte Geld für die weitestgehende Abschaffung der Kita-Gebühren (110 Millionen), die Streichung der Studiengebühren (39 Millionen), für bessere Straßen und Grünanlagen (20 Millionen), mehr Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln (9,0 Millionen) und Kultur (5,0 Millionen) - macht insgesamt rund 200 Millionen pro Jahr. Die Weihnachtsgeldkürzung für Beamte um 100 Millionen Euro pro Jahr nannte Scholz zwar "ziemlich fies", sagte aber: "Was ich nicht versprochen habe, habe ich nicht versprochen."

Sein "festes Ziel" sei es, dass künftig die Einnahmen der Stadt stärker steigen als die Ausgaben. Wenn der Ausgabenanstieg auf maximal ein Prozent begrenzt werde - unter Schwarz-Grün waren es mehr als fünf Prozent - sei das Ziel zu erreichen, 2020 ohne Schulden auszukommen. Das sei "ehrgeizig und streng", so Scholz.

Die anderen Parteien kritisierten die Pläne der SPD. "Herr Scholz hat den Wählern massiv Sand in die Augen gestreut", sagte CDU-Finanzexperte Thies Goldberg. Als Beispiel nannte er den Personalbereich, wo die SPD Rückkehrer vom Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) auf frei werdende Stellen setzen wolle, statt sie neu zu besetzen. "In den kommenden Jahren scheiden vor allem Polizisten und Lehrer aus, die kann man nicht durch LBK-Rückkehrer ersetzen", so Goldberg.

GAL-Spitzenkandidatin Anja Hajduk lobte einige Scholz-Vorschläge als "bedenkenswert", andere seien jedoch "kontraproduktiv", etwa eine Reduzierung des Personals im Sondervermögen Schulbau oder die Streichung der Wissenschaftsstiftung. Joachim Bischoff (Linkspartei) sagte, die SPD wolle "die Kürzungskonzeption der schwarz-grünen Koalition nicht nur übernehmen, sondern eher noch verschärfen". Und Katja Suding (FDP) nannte einige SPD-Vorschläge im Personalbereich zwar richtig, "aber eine durchgreifende Entschuldungsstrategie für Hamburg ist nicht erkennbar".