Der Wasserwerfer habe sich angefühlt “wie die Faust von einem Riesenboxer“. Die Lider sind zerrissen, ein Augenboden gerochen. Vielleicht verliert Dieter Wagner sein Augenlicht.

Der Wasserwerfer habe sich angefühlt "wie die Faust von einem Riesenboxer". Die Lider sind zerrissen, ein AUgenboden gerochen. Vielleicht verliert Dieter Wagner sein Augenlicht. Blind durch Wasserwerfer - diese erschreckende These droht bei den hart von Wasserwerfern getroffenen Demonstranten zum Fakt zu werden. Einer der betroffenen ist Dietrich Wagner, dessen Bild durch die Medien ging. Mit blutenden Augen wäre der Demonstrant nicht mehr alleine aus dem Schlossgarten gekommen. Der Mann müsse erneut an den Augen operiert werden, sagte eine Sprecherin des Katharinenhospitals am Mittwoch in Stuttgart. Auch ein zweiter Demonstrant, der beim Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten an einem Auge schwer verletzt wurde, müsse erneut behandelt werden. Über bleibende Schäden könnten die Ärzte bei beiden noch keine Angaben machen.

Dem Magazin „Stern“ schilderte Wagner, Ingenieur im Ruhestand, wie es zu seinen Verletzungen kam: Er habe versucht, Jugendlichen zu helfen, die vom Strahl des Wasserwerfers weggefegt worden seien. Deshalb habe er die Arme hochgerissen und den Polizisten gewunken, um sie zum Aufhören zu bewegen. Dann habe ihn selbst der Wasserstrahl direkt ins Gesicht getroffen – so massiv, dass er ohnmächtig geworden sei. „Es fühlte sich an wie der Schlag von einem Riesenboxer“, sagte der 66-Jährige.

Chefarzt Egon Georg Weidle diagnostizierte bei Wagner „schwerste Augenverletzungen“. Am schlimmsten seien die „beidseitig schweren Prellungsverletzungen“, zitiert ihn der „Stern“. Die Lider seien zerrissen, der Augenboden eines Auges gebrochen, die Netzhaut vermutlich eingerissen, die Linsen seien zerstört und müssten durch Kunstlinsen ersetzt werden. Der Patient „ist im Moment erblindet“. Er wisse nicht, wie gut er in Zukunft je wieder sehen wird. Auch in der Stuttgarter Charlottenklinik wird laut „Stuttgarter Nachrichten“ noch ein 22-Jähriger mit einem Augen-Trauma behandelt. Voraussichtlich blieben Folgeschäden, sagte Augenarzt Gangolf Sauder der Nachrichtenagentur dpa.

Mappus verteidigt Stuttgart 21

Baden-Württembergs Landesregierung hält ohne wenn und aber am umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 fest, will sich aber mit den Gegnern an einen Tisch setzen. Ministerpräsident Stefan Mappus ernannte den CDU-Politiker Heiner Geißler am Mittwoch in einer Regierungserklärung zum Vermittler. Er bot den Gegnern neue Gespräche über das „Jahrhundertprojekt“ an und betonte, bis Sommer 2011 sollten keine weiteren Bäume gefällt und auf den Abriss des Südflügels des Bahnhofs vorerst verzichtet werden. Er warnte vor Kosten in Milliardenhöhe für das Land, sollte der Bahnhofsumbau eingestellt werden. Den SPD-Vorschlag einer Volksabstimmung wies er zurück.

Mappus räumte erhebliche Kommunikationsfehler ein und bedauerte die Eskalation bei den Demonstrationen. In der Regierungserklärung betonte er die Vorteile des Projektes sowohl für die Stadt als auch das Land. Dazu gehörten nicht nur die Verlagerung des Fernverkehrs vom Flugzeug auf die Schiene, sondern auch neue Entwicklungschancen für Stuttgart.

Den Gegnern wies er eine Mitschuld an der Eskalation zu und kritisierte eine Verzerrung der Fakten. Zum einen rechne sich das Projekt trotz der Kostensteigerungen. „Für die 282 Bäume, die im Zuge der Bauarbeiten insgesamt gefällt werden müssen, werden rund 5300 neue Bäume gepflanzt“, betonte er zudem. Mappus widersprach auch der Kritik, der Bahnhofsumbau verhindere andere Verkehrsprojekte im Land. Scheitere das Projekt, würde die Deutsche Bahn das Geld in anderen Bundesländern investieren.

Geissler soll in Stuttgart schlichten

Mit der Ernennung eines Schlichters solle ein neuer Gesprächsfaden zwischen Befürwortern und Gegnern des Projekt geknüpft werden, sagte Mappus. „Dr. Heiner Geißler verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich des Interessensausgleichs und der Schlichtung.“ Geißler stamme aus Baden-Württemberg. „Und er genießt hohes Ansehen über alle Parteigrenzen hinweg.“

Der Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Kurt Lauk, warf beiden Seiten eklatante Fehler vor. Die Befürworter hätten versäumt, auf die Vorteile für die Stadt und vor allem das Land hinzuweisen. Zugleich warf er aber auch den Gegnern des Projektes vor, die letzten 14 Jahre im Tiefschlag verbracht zu haben und erst jetzt gegen das Projekt zu protestieren.

Die Grünen profitierten offenbar von ihrer Ablehnung von Stuttgart 21. In einer Forsa-Umfrage lagen sie bundesweit erstmals vor der SPD. Die Sozialdemokraten fielen in dem Wahltrend von „stern“ und RTL auf 23 Prozent und damit auf das Niveau der Bundestagswahl 2009 zurück. Die Grünen erreichten 24 Prozent. Auch die Union macht einen Punkt gut: Für sie würden sich 31 Prozent der Wähler entscheiden.