Indizien: Mamoun Darkazanli soll engste Kontakte zu Al-Qaida-Chef Osama bin Laden gehabt haben - ebenso wie zu der Hamburger Gruppe um den Terrorpiloten Mohammed Atta.

Hamburg. Er war so gut wie ausgeliefert nach Spanien. In schweren, gepanzerten Limousinen hatte das Mobile Einsatzkommando Mamoun Darkazanli in einer Geheimaktion zum Flughafen Fuhlsbüttel gefahren. Zwei der Elitepolizisten keilten ihn ein, als der 46-jährige im Polizeihubschrauber "Libelle" mit Ziel Berlin an jenem Dienstagnachmittag im vergangenen November abhob. Einen Tag nachdem das Hanseatische Oberlandesgericht seiner Auslieferung zugestimmt hatte. Der Deutsch-Syrer trug Fußfesseln, saß schon am Flughafen Berlin-Tegel und wartete auf den Start des Iberia-Fluges 3547 nach Madrid. Da kam um 18.33 Uhr, Minuten vor dem Start der Maschine, das Fax der Karlsruher Verfassungsrichter: Auslieferung bis zur Grundsatzentscheidung gestoppt.

Gestern nun, nur gut fünf Stunden nach dem Karlsruher Grundsatzspruch, kam Darkazanli frei. Wortlos und mit ausdruckslosem Gesicht bahnte er sich in Jeans und weißem Sweatshirt seinen Weg durch den Kamerapulk vor dem Untersuchungshaftgefängnis am Holstenglacis (Neustadt). Nach 243 Tagen Auslieferungshaft stieg er in ein Taxi und fuhr davon.

Seit Jahren beschäftigt der Mann aus dem Hamburger Stadtteil Uhlenhorst Polizisten, Geheimdienstler, Staatsanwälte und Politiker. Bestens überwacht und ausgeforscht, ist der Kaufmann fast so etwas wie ein Musterbeispiel für die Schwierigkeiten des deutschen Staates, wenn er islamische Terroristen jagt - oder zumindest glaubt, solche Terroristen zu jagen.

Nur wenig ist öffentlich über ihn bekannt. Darkazanli wurde am 4. August 1958 in Damaskus geboren. Er ist verheiratet mit der Deutschen Brigitte Sch. (52) und lebt seit Jahren eher unauffällig in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in einem Mehrfamilienhaus auf der Uhlenhorst in Hamburg. Mehrfach wurde dort durchsucht. Von einem kleinen Geschäft an der Langen Reihe (St. Georg) aus handelte der Im- und Exportkaufmann nach eigener Darstellung mit Elektronik- und Fernsehteilen - alles nur Fassade? Schon vor den Anschlägen des 11. September 2001 in den USA war der groß gewachsene, sportlich erscheinende Araber mit dem sauber gestutzten Vollbart den Sicherheitsbehörden bekannt, heißt es.

Einen "Mann mit lauter falschen Freunden" hat ihn etwa die "Süddeutsche Zeitung" genannt. Seit Beginn der 1990er-Jahre soll, so heißt es immer wieder inoffiziell, Darkazanli ein Terrorhelfer sein. Er soll für Osama bin Laden das Küstenmotorschiff "Jennifer" gekauft haben. Als Mittelsmann fungierte damals angeblich Wadih al-Hage, der wegen der Anschläge 1988 auf US-Botschaften in Ostafrika verurteilt worden war. Das amerikanische FBI fand bei al-Hage Visitenkarten mit Darkazanlis Geschäftsadresse. Darkazanli soll auch Kontakt zu bin Ladens Finanzchef Mamduh Mahmud Salim gehabt haben, hatte für sein deutsches Konto angeblich Vollmacht. Und Darkazanli war auf jenem Video aus der Al-Kuds-Moschee in St. Georg zu sehen, auf dem anlässlich der Hochzeit von Terrorunterstützer Said Bahaji auch die Hamburger Terrorpiloten des 11. September um Mohammed Atta tanzen.

Für spanische Ermittler gilt Darkazanli zudem als Intimus eines Islamisten mit dem Kampfnamen Abu Dahdah, dem Führer einer spanischen Al-Qaida-Zelle, die im November 2001 zerschlagen wurde. Ermittler beschlagnahmten etwa ein Foto, das Darkazanli mit Abu Dahdah (bürgerlich: Imad Eddin Barakat Yarkas) auf einem Schießstand in Deutschland zeigt. Mehrfach soll ihn Darkazanli auch in Spanien besucht haben. Alles nur Zufälle?

Für US-Ermittler gilt der Kaufmann sogar als einer der wichtigsten Helfer des Terrornetzes von al-Qaida. Seine kleine Import-Export-Firma war die erste auf der Welt, deren Konten US-Präsident George Bush nach den Anschlägen des 11. September einfrieren ließ. Viele Gerüchte ranken um diesen Mann. Eines davon: Auf Drängen der CIA habe der Verfassungsschutz versucht, den Deutsch-Syrer als Spitzel anzuwerben - erfolglos. Deshalb aber hätten deutsche Fahnder Darkazanli zunächst in Ruhe gelassen.

In Interviews, die der Terrorverdächtige gegeben hat, stellte er sich selbst als "Sündenbock" dar, der für jeden Vorwurf eine Erklärung parat hat. Gern erzählt er Reportern in U-Haft, wie unverschämt es vom deutschen Staat sei, ihn, einen deutschen Staatsbürger, so einfach im Stich zu lassen. Er sei "unschuldig", habe "nichts verbrochen". Natürlich sei er etwa Mohammed Atta wie den anderen in der Al-Kuds-Moschee begegnet, sagt er etwa der "FAZ" - aber Kontakt zu ihnen habe er nie gehabt: "Ich kenne Atta, so wie ich Schröder aus dem Fernsehen kenne."