Urteil: Hamburg muß Terrorverdächtigen freilassen. Richter halten EU-Haftbefehl für verfassungswidrig.

Hamburg/Karlsruhe. Gestern nachmittag um 15.25 Uhr schritt Mamoun Darkazanli (46) erhobenen Hauptes aus dem Haupttor der Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis und stieg in ein Taxi. Der Deutsch-Syrer ist aus der Auslieferungshaft entlassen worden, obwohl Ermittlungsbehörden ihn für einen der wichtigsten Verbindungsmänner der al-Qaida in Europa halten. In Spanien sollte ihm der Prozeß gemacht werden. Das Bundesverfassungsgericht gab gestern morgen einer Klage Darkazanlis gegen die drohende Auslieferung statt und erklärte damit das Europäische Haftbefehlsgesetz für nichtig. Damit darf kein Deutscher mehr ausgeliefert werden, solange in der Bundesrepublik kein neues Gesetz verabschiedet wurde.

Die Verfassungsrichter erhoben keine generellen Einwände gegen den EU-Haftbefehl, verlangten aber Nachbesserungen bei dem 2004 verabschiedeten Gesetz zu dessen Anwendung in Deutschland. Darin sei der Spielraum für eine möglichst grundrechtsschonende Ausgestaltung nicht ausgeschöpft worden, so der Vorsitzende Richter des Zweiten Senats, Winfried Hassemer.

Der Hamburger Kaufmann Mamoun Darkazanli wird von der spanischen Justiz beschuldigt, mindestens seit 1997 europäische Schlüsselfigur des Terrornetzwerkes al- Qaida zu sein. Er soll unter anderem ein Schiff für Osama bin Laden gekauft haben. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war auch in Deutschland gegen den Uhlenhorster ermittelt worden. Zu einer Anklage ist es jedoch nie gekommen. Darkazanlis Rechtsanwalt Michael Rosenthal nannte das Urteil gestern "einen schönen Erfolg".

Die EU-Kommission mahnte Deutschland, rasch einen neuen Gesetzentwurf vorzulegen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) sprach nach dem Karlsruher Urteil von einem Rückschlag im Kampf gegen den Terrorismus. Eine gesetzliche Neuregelung des EU-Haftbefehls wird es nach den Worten der Ministerin bereits in vier bis sechs Wochen geben. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte, der Bundestag müsse sich vorwerfen lassen, unkritisch europäische Vorgaben übernommen zu haben. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele nannte das Urteil "eine Ohrfeige für den gesamten deutschen Bundestag". Hamburgs Justizsenator Roger Kusch sagt: "Entgegen der Behauptung von Ministerin Zypries erschwert das Urteil nicht die Terrorismusbekämpfung, sondern sichert ihren rechtsstaatlichen Erfolg. Die grimmigsten Law-and-Order-Sprüche des Bundesinnenministers helfen nichts gegen Terroristen, wenn die Bundesjustizministerin Nachhilfe aus Karlsruhe benötigt."