Mitten in der Wirtschaftskrise hat der öffentliche Dienst sein Personal aufgestockt. Der Steuerzahlerbund fordert Stellenstreichungen.

Wiesbaden. Die Staatskassen sind leer, dennoch leistet sich der öffentliche Dienst erstmals seit 1991 wieder mehr Persona l. Zum Stichtag 30. Juni 2009 waren bei Bund, Ländern und Gemeinden rund 4,5 Millionen Angestellte und Beamte beschäftigt, das sind 42 500 oder 0,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di begrüßte den Stellenzuwachs: "Der Anstieg war definitiv notwendig, denn die Zahlen zeigen, dass nach Jahren des Personalabbaus eine Schmerzgrenze erreicht worden ist", sagte ein Ver.di-Sprecher. Viele der neu geschaffenen Jobs im öffentlichen Dienst seien jedoch gar keine Voll-, sondern nur Teilzeitstellen, da das im Bildungsbereich mittlerweile ein stark verbreitetes Arbeitsmodell sei. "Es muss in jedem Fall genug Personal vorhanden sein, damit die öffentliche Hand ihre Aufgaben noch erfüllen kann, und diese Aufgaben sind ja in den letzten Jahren nicht weniger geworden", teilte die Gewerkschaft mit. Vor allem bei der Agentur für Arbeit und bei den Kindertagesstätten herrsche nach wie vor ein großer Personalbedarf.

Kritisch äußerte sich dagegen Karl Heinz Däke, Präsident des Steuerzahlerbundes, zu der Entwicklung: "Wir sehen insbesondere den Personalzuwachs bei der Bundesagentur für Arbeit mit gemischten Gefühlen." Ein gewisser Mehrbedarf an Mitarbeitern sei angesichts der Wirtschaftskrise zwar "vertretbar", jetzt müsse aber wieder gekürzt werden, forderte Däke. "Da sich jetzt die Arbeitsmarktsituation wieder bessert, muss die Bundesagentur aber anfangen, wieder Stellen zu streichen." Däke forderte die Bundesregierung auf, an einem Ergebnis ihrer Sparklausur festzuhalten und in den kommenden Jahren den Personalabbau in der Bundesverwaltung zu intensivieren.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes befanden sich von den 4,5 Millionen Staatsdienern im vergangenen Jahr 2,7 Millionen in einem Angestelltenverhältnis. Das entspricht einem Zuwachs von knapp 40 000 (1,5 Prozent). Der Anstieg geht jedoch zu einem großen Teil auf eine Zunahme der befristeten Arbeitsverhältnisse zurück: So hatten rund 366 000 Angestellte im öffentlichen Dienst Zeitverträge, das sind 10,6 Prozent mehr als Mitte 2008. Das Personal in Dauerbeschäftigung oder in Ausbildung nahm lediglich um 4300 oder 0,2 Prozent zu. Nach Einschätzung von Ver.di stamme die Zunahme der befristeten Arbeitsverhältnisse unter anderem daher, dass im öffentlichen Dienst häufiger Elternzeit genommen werde und daher befristete Vertretungen eingestellt würden.

Einen Personalanstieg registrierten die Statistiker insbesondere bei Tageseinrichtungen für Kinder mit einem Plus von 7100. Auch bei der Bundesagentur für Arbeit (plus 6200) und bei den Hochschulen (plus 10 000) arbeiteten mehr Menschen. Die Zahl der Richter und Beamten lag 2009 mit 1,7 Millionen um 0,1 Prozent höher als 2008, was vor allem auf die gestiegene Zahl der Beamten in Ausbildung zurückzuführen war. Bei den Berufs- und Zeitsoldaten betrug die Steigerung 0,8 Prozent oder 1500 Personen, die Bundeswehrverwaltung wurde dagegen um 3200 Mitarbeiter verkleinert

Auch im Gesundheitswesen wurden Stellen abgebaut: Wegen der Privatisierung zahlreicher kommunaler Krankenhäuser verringerte sich das Personal dort um 5900 auf 82 200.

Rund die Hälfte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst war bei den Ländern tätig, vor allem im Bildungswesen; die Kommunen beschäftigten knapp ein Drittel. Weitere zwölf Prozent waren im Bund - einschließlich Bundeseisenbahnvermögen - beschäftigt, acht Prozent bei den Sozialversicherungsträgern oder der Bundesagentur für Arbeit.

Jürgen Koppelin, stellvertretender Chef der FDP-Bundestagsfraktion und Mitglied im Haushaltsausschuss, kritisierte die Statistik: "Da werden alle Bereiche in einen Topf geworfen, ob Bundespolizisten, Krankenschwestern oder Richter." Tatsächlich baue der Bund inzwischen pro Jahr etwa 10 000 Stellen ab, sagte Koppelin dem Abendblatt. Zu 3200 Einstellungen bei der Bundesagentur für Arbeit sei die Regierungskoalition von der SPD genötigt worden, als politischer Preis für einen Kompromiss im Streit um die Jobcenter. Dass der öffentliche Dienst trotz der Rekordverschuldung in einigen Bereichen wachse, sei aber politisch richtig: "Wir brauchen zum Beispiel mehr Hochschullehrer und mehr Kindergärtner." Außerdem habe der Bund unter anderem beim Zoll und beim Bundespatentamt Stellen geschaffen, "und dort bringen mehr Stellen dem Staat mehr Geld ein".