Städte und Gemeinden suchen nach Wegen aus der Krise. Gestritten wird dabei vor allem um die Gewerbesteuer

Hamburg/Berlin. Man kann es auch einfach so machen wie der kleine Ort Niederzimmern in Thüringen, zwischen Erfurt und Weimar. Anfang März rief der Bürgermeister Christoph Schmidt-Rose zur Aktion "Teer muss her" auf. Die Gemeinde verkaufte 257 ihrer Schlaglöcher zum Preis von je 50 Euro - in das asphaltierte Loch wurde eine Plakette mit dem Namen des Spenders eingelassen. Die Idee zeigt, wie viel Fantasie manche Kommunen entwickeln, um ihre Haushalte zu sanieren.

Laut der Städtetags-Präsidentin Petra Roth (CDU) steigen die Schulden der Gemeinden 2010 auf 15 Milliarden Euro an. Das sind drei Milliarden Euro mehr als bislang geschätzt. Und es ist der höchste Stand des kommunalen Defizits seit Bestehen der Bundesrepublik. Roth begründete die Prognosekorrektur mit der ungünstigen Steuerschätzung. "Unsere Haushalte sind völlig überstrapaziert", sagte die Frankfurter Oberbürgermeisterin der "Frankfurter Rundschau". Die Kommunen machen vor allem den Bund für ihre Lage verantwortlich, der ihnen immer mehr Leistungen aufbürde - etwa bei den Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger, der Eingliederungshilfe für Behinderte und beim Kitaplatz-Ausbau. "Wir halten es für einen richtigen Reformansatz, Wohngeld und Unterkunftskosten zusammenzuführen", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds (DStGB), dem Hamburger Abendblatt. "Die Finanzierung müsste gerecht zwischen Bund und Ländern aufgeteilt werden. Bei entsprechender Pauschalierung würde eine Menge Bürokratie und Geld gespart." Nach Angaben des DStGB waren es 2009 mehr als 40 Milliarden Euro Sozialausgaben, in diesem Jahr würden es schon 42 Milliarden sein, unter anderem weil die Arbeitslosigkeit zunimmt. "Wir brauchen endlich wieder mehr Geld für Investitionen. Wenn wir Mittel für kommunale Projekte in der Hand haben, schaffen wir Arbeitsplätze", sagte Landsberg. "Und je weniger Arbeitslose, desto geringer auch die Ausgaben der Städte und Gemeinden."

Doch trotz leerer Kassen wird mancherorts ein zu spendables Verhalten gerügt. Berlin wurde jüngst vom Rechnungshof kritisiert, weil der rot-rote Senat Hartz-IV-Empfängern eine zu teure Wohnung bis zu einem Jahr finanziert, obwohl sie nach einem halben Jahr in eine billigere ziehen müssten. Andererseits waren 2009 allein in Baden-Württemberg 114 der 1102 Gemeinden schuldenfrei. Nicht überall sieht man die Kommunen als Opfer sinkender Einnahmen und höherer Lasten durch den Bund. "Petra Roth muss endlich einer kommunalen Finanzreform zustimmen, die ohne eine Gewerbesteuer auskommt. Immer nur nach frischem und neuem Geld zu schreien, bringt niemanden etwas", sagte Reiner Holznagel, Bundesgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler, dem Abendblatt.

Bei der Planung einer kommunalen Finanzreform wird vor allem über eben diese Gewerbesteuer gestritten. Der Steuerzahler-Bund will sie am liebsten abschaffen. "Die Gewerbesteuer ist konjunkturanfällig. Die Städte und Kommunen brauchen stattdessen kalkulierbare und verlässliche Einnahmen", sagte Holznagel. 2009 fielen die Steuereinnahmen der Kommunen um 11,4 Prozent. Vor allem bei der Gewerbesteuer brachen die Einnahmen ein, weil die Unternehmen mit der Krise kämpften.

Eine Gemeindefinanz-Kommission unter Vorsitz von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sucht nun nach der Zauberformel: Wie kann die Finanzierung der Kommunen auf stabilere Pfeiler gestellt werden? Auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund unterstützt eine kommunale Finanzreform - allerdings nur mit einer Stärkung der Gewerbesteuer. "Wir müssen die Gewerbesteuer stabilisieren. Das können wir vor allem durch die Einbeziehung der freien Berufe. Das wäre nicht nur effektiv, sondern auch gerecht", sagte Landsberg vom DStGB. "Denn warum zahlt ein Arzt mit zehn Angestellten heute keine Gewerbesteuer, während ein Handwerker mit zehn Mitarbeitern zahlen muss."

Steuern zu senken oder gar abzuschaffen, hält auch der Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger für "absurd". "Das Grundproblem ist doch, dass der deutsche Staat beispielsweise im Vergleich zu skandinavischen Ländern wenig Geld hat. Und das spüren die Menschen in den Kommunen am stärksten", sagte Bofinger, Mitglied im Rat der fünf Wirtschaftsweisen, dem Abendblatt. "Die Deutschen wollen die Ausstattung eines Fünf-Sterne-Staates - sind aber nur bereit, für einen Drei-Sterne-Staat zu bezahlen."

In Niederzimmern sind durch den Verkauf der Schlaglöcher knapp 13 000 Euro in die Kasse gekommen. Immerhin. Eine Tafel aus Stein erinnert seit Ende April an die Spender.