Medienberichte, nach denen Kanzlerin Merkel einen Boykott der EM 2012 erwägt, haben am Montag in der Ukraine hohe Wellen geschlagen.

Berlin/Kiew. Medienberichte über einen möglichen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine durch die Bundesregierung sind in Kiew auf Unverständnis gestoßen. Er hoffe, dass dies nur eine "Zeitungsente“ sei, sagte Außenamtssprecher Oleg Woloschin am Montag in Kiew. Er sagte der Nachrichtenagentur Interfax, man hoffe, Bundeskanzlerin Angela Merkel sei von den Medien falsch zitiert worden. "Man will gar nicht daran denken, dass die Staatsmänner Deutschlands fähig sind, die Methoden der Zeiten des Kalten Krieges wiederzubeleben und zu versuchen, den Sport zu einer Geisel der Politik zu machen“, sagte Woloschin nach Angaben örtlicher Medien. Die Bundesregierung übt scharfe Kritik am Umgang mit der in Haft erkrankten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko.

Bouffier gegen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier hat sich gegen einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine gewandt. Im Gespräch mit dem Online-Portal der "Bild“-Zeitung sagte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende am Montag, er unterstütze die Bundesregierung in den Bemühungen um eine vernünftige ärztliche Behandlung der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, am besten in Deutschland. Eine Boykott halte er aber nicht für ratsam.

+++ Ukraine droht zur Fußball-EM ein diplomatisches Desaster +++

Zur Begründung sagte Bouffier, der Sport könne nicht das lösen, was Staatengemeinschaften auch nicht lösen könnten. "Als politisch Verantwortlicher kann man jedoch nicht in die Ukraine fahren und so tun, als gäbe es das Problem nicht“, wird der CDU-Politiker weiter zitiert.

Merkel: Minister sollen Fußball-EM boykottieren

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erwägt, ihren Ministern zu empfehlen, den EM-Spielen in der Ex-Sowjetrepublik fernzubleiben. Dies gilt nach einem Bericht des Magazins "Der Spiegel“ für den Fall, dass Timoschenko nicht für eine angemessene medizinische Behandlung freigelassen wird. Die Ukraine ist mit Polen vom 8. Juni bis 1. Juli Gastgeber der EM.

An Timoschenkos Haftort in Charkow wies die Staatsanwaltschaft schwere Beschuldigungen der Politikerin zurück, sie sei bei einem erzwungenen Transport in eine Klinik vor einer Woche geschlagen worden. Keiner der Ärzte oder Krankenpfleger habe dies bei einer Befragung bestätigt, sagte ein Justizsprecher dem Fernsehsender 5 Kanal. Timoschenko befindet sich nach eigenen Angaben seit dem 20. April im Hungerstreik.

Derrussische Präsident Dmitri Medwedew kritisierte den Umgang des Nachbarlandes mit Timoschenko als "völlig inakzeptabel". Der Staatschef bezeichnete die Situation im Nachbarland als "höchst befremdlich". Der Kreml hatte zuvor bereits mehrfach massive Kritik am Prozess gegen Timoschenko geäußert. Sie war im Vorjahr wegen angeblich einseitiger Gasverträge zugunsten Russlands verurteilt worden.

Timoschenko verbüßt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe. Im Westen wurde der Prozess gegen sie als politisch motiviert kritisiert. Ein weiteres Verfahren wegen des Vorwurfs der Unterschlagung von mehreren Millionen Euro in ihrer Zeit als Vorsitzende eines Energieunternehmens wurde am Sonnabend auf den 21. Mai verschoben. Vor dem Gerichtsgebäude hatten sich zuvor Anhänger und Gegner Timoschenkos versammelt und lautstark protestiert.