Deutschland kritisiert die ukrainische Führung wegen der Inhaftierung Timoschenkos scharf. Es dürfe hier “kein Spiel auf Zeit geben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Berlin. Deutschland fordert von der ukrainischen Regierung ein schnelles Handeln im Fall der erkrankten, inhaftierten Julia Timoschenko an. Es dürfe hier "kein Spiel auf Zeit geben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Die Bundesregierung setze sich dafür ein, dass Timoschenko "jetzt die nötige Behandlung bekommt“. Seibert verwies darauf, dass es auch andere Fälle gebe, "in denen die Strafjustiz instrumentalisiert worden ist, um Demokratie zu behindern“. Auch die Lage dieser Menschen müsse verbessert werden.

Der Regierungssprecher wies die Darstellung in einem Medienbericht zurück, Merkel habe der Ukraine mit ihrem Fernbleiben von der Fußball-EM gedroht. Es habe ein Gespräch des außenpolitischen Beraters der Kanzlerin, Christoph Heusgen, mit dem ukrainischen Vize-Außenminister Pawel Klimkin im Kanzleramt gegeben. Der Fall Timoschenko sei dabei besprochen worden, von einer Drohung könne aber "keine Rede sein“, erklärte Seibert.

Merkel habe noch keine Reisepläne zur Europameisterschaft gemacht, sagte Seibert. Dies werde erst kurzfristig entschieden werden, "aber natürlich fließt auch die weitere Entwicklung in der Ukraine rund um den Fall Timoschenko in diese Entscheidung mit ein“.

Seibert erklärte, die europäischen Staate seien sich einig in der Bewertung, "dass es erhebliche Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit in der Ukraine gibt, Defizite in der Demokratie“ und dass dieses sich ändern müsse, wenn es eine Annäherung des Landes an die EU geben soll. Bundespräsident Joachim Gauck hatte kürzlich eine Reise in die Ukraine abgesagt.

Wer darf zur EM?

Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte, die Bundesregierung sei darüber im Gespräch "wer zu der EM fährt oder nicht“. Es gebe "Vorüberlegungen“ für einen Besuch von Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) beim Vorrundenspiel Deutschland gegen die Niederlande am 13. Juni in der Ukraine. Dem Minister sei die Situation in dem Land "sehr bewusst“. Sollte sich Timoschenko dann noch in Haft befinden "möchte er gerne mit ihr sprechen“.

In Haft sitzen neben Timoschenko unter anderem der ehemalige Innenminister Juri Luzenko, der frühere Umweltminister Georgi Filiptschuk sowie Ex-Verteidigungsminister Waleri Iwaschtschenko.

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning, hatte kürzlich beklagt, es gebe in der Ukraine offensichtlich eine "groß angelegte Abrechnung“ mit ehemaligen Regierungsmitgliedern. Prozesse würden offenbar "mit politischer Motivation“ geführt, teilweise müsse man den Richtern Rechtsbeugung vorwerfen. Inhaftierten werde die notwendige medizinische Behandlung verweigert, Diagnosen würden vorenthalten.

Bombenanschlagsserie im EM-Land Ukraine – 27 Verletzte

Gut eineinhalb Monate vor Beginn der Fußball-Europameisterschaft hat eine Anschlagsserie in der Ukraine die Geburtsstadt der inhaftierten Oppositionschefin Julia Timoschenko erschüttert. Vier Bomben explodierten am Freitag kurz hintereinander in der Industrie-Metropole Dnipropetrowsk. Mindestens 27 Menschen wurden durch die in Abfalleimern versteckten Sprengsätze nach Angaben des Innenministeriums verletzt. Über die Hintergründe wurde zunächst nichts bekannt. Die Generalstaatsanwaltschaft stufte die Anschläge als Terrorakt ein. Präsident Viktor Janukowitsch sprach von einer "Herausforderung für das ganze Land“.

Die erste Explosion ereignete sich nach Regierungsangaben um 11.50 Uhr an einer Straßenbahn-Haltestelle. Eine halbe Stunde später ging eine Bombe vor einem Kino hoch. Es folgten eine Detonation in der Nähe eines Parks und eine weitere Explosion ebenfalls in der Innenstadt. Innenminister Witali Sachartschenko übernahm persönlich die Leitung der Ermittlungen. Ein Polizeisprecher sagte, Festnahmen seien bisher nicht erfolgt.

In der Ukraine sind äußerst selten Bombenanschläge verübt worden. Allerdings ist die politische Lage angespannt, seit Timoschenko im vergangenen Jahr eine siebenjährige Haftstrafe antreten musste.

(Mit Material von dapd/dpa)