Dirk Niebel (FDP) stellt im Abendblatt-Interview die Erhöhung der Entwicklungshilfe infrage und verteidigt seine umstrittene Personalpolitik.

Hamburg. Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hat die internationale Verpflichtung infrage gestellt, die deutsche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. „Wir müssen mit unseren Partnern diskutieren, ob das Volumen oder die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe die entscheidende Größe ist“, sagte Niebel im Interview des Hamburger Abendblatts (Sonnabend). „Ich halte die Wirksamkeit für entscheidend."

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Die Bundesregierung stehe zu dem 0,7-Prozent-Ziel, doch werde es „sehr sportlich, es zu erreichen“, betonte Niebel. Der Minister räumte ein: „Das Zwischenziel für 2010, nämlich 0,51 Prozent, werden wir verfehlen.“ Um es zu erfüllen, hätte der Entwicklungsetat um dreieinhalb Milliarden Euro aufgestockt werden müssen. „Dieses Geld hätte mir Finanzminister Schäuble niemals gegeben“, sagte Niebel. Im Haushaltsausschuss des Bundestages sei nun eine Steigerung um etwa 250 Millionen Euro vereinbart worden. Damit liege der Entwicklungshaushalt für 2010 bei 6,1 Milliarden Euro.

Niebel verteidigte seine Entscheidung, China die Entwicklungshilfe zu streichen. „Dieses Land ist wirtschaftlich stark genug, um seine Probleme selbst zu lösen“, sagte er. Zugleich mahnte der Minister ein „Konzept für Schwellenländer“ an, das eine neue Form der Zusammenarbeit einleite. Der FDP-Politiker: „Mit Ländern wie Indonesien oder Indien wollen wir verstärkt auf eine wirtschaftliche Zusammenarbeit hinarbeiten.“

Vor seiner Asien-Reise an diesem Sonntag kündigte Niebel an, er wolle Investitionen deutscher Firmen in Vietnam und Kambodscha erleichtern. „Wenn immer mehr Menschen ein eigenes Einkommen haben, wird Entwicklungshilfe eines Tages überflüssig“, sagte er.

Niebel wertet umstrittene Personalpolitik als Erfüllung des Koalitionsvertrags

Erstmals verteidigte Niebel seine umstrittene Personalpolitik ausführlich. „Es werden 15 neue Stellen eingerichtet – aber dafür gibt es gute Gründe“, sagte der FDP-Politiker dem Hamburger Abendblatt (Sonnabend). Niebel berief sich auf den Koalitionsvertrag von Union und FDP, der beispielsweise mehr bilaterale Projekte und die Zusammenführung der Entwicklungsorganisationen GTZ, DED und InWEnt vorsehe. Deswegen sei „mehr Personal“ erforderlich.

Den Vorwurf der Vetternwirtschaft wies der Minister entschieden zurück. „Es werden in diesem Ministerium auch Leute befördert, die kein Parteibuch haben oder ein anderes als das der FDP“, sagte er. „Mir ist das Parteibuch meiner Mitarbeiter völlig egal.“ Auf die Frage, wie der gegenteilige Eindruck entstehen konnte, sagte Niebel: „Wir haben im Entwicklungsministerium tolle Leute - hochkompetent, super motiviert und sehr loyal. Aber es gibt halt immer auch Kritiker unserer Politik.“ Der Minister verteidigte insbesondere die Berufung des früheren Bundeswehr-Oberst Friedel Eggelmeyer zum Abteilungsleiter. Er sei ein hervorragender Kenner der Entwicklungszusammenarbeit. „Außerdem beherrscht er die Sprache der Bundeswehr so, dass mein Ministerium vernünftig mit den Streitkräften zusammenarbeiten kann.“

Zugleich kündigte Niebel einen Strategiewechsel bei der Afghanistan-Hilfe an. „Das Entwicklungsministerium richtet sein Vorgehen in Afghanistan neu aus. Wir werden unsere Anstrengungen auf den Norden des Landes konzentrieren, wo auch die Bundeswehr Verantwortung für die Sicherheit trägt“, sagte der Minister. „Wir werden uns eng mit der Bundeswehr abstimmen. Nur so erzielen wir eine Friedensdividende für die Menschen.“ Für den zivilen Aufbau stünden dem Entwicklungsministerium jährlich rund 250 Millionen Euro zur Verfügung.

"Guido Westerwelle geschieht Unrecht“

Für das schlechte Erscheinungsbild der schwarz-gelben Regierungskoalition machte Niebel CSU-Politiker verantwortlich. „Wenn aus den bayerischen Bergen irgendwelche Echos herunterhallen, tragen sie natürlich nicht unbedingt zu einem gedeihlichen Fortkommen der Regierung bei“, sagte Niebel. „Es gibt Kollegen wie den bayerischen Gesundheitsminister Söder, die vergessen, was im Koalitionsvertrag steht.“ Bei den Koalitionsverhandlungen hätten solche Kollegen durch Abwesenheit geglänzt. „Wahrscheinlich haben sie nicht mitbekommen, was alles beschlossen wurde.“ Söder hatte die Einrichtung der Regierungskommission zur Gesundheitsreform als überflüssig bezeichnet und seinen Widerstand gegen die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Gesundheitsprämie angekündigt.

Zugleich verteidigte Niebel den FDP-Vorsitzenden und Außenminister Guido Westerwelle gegen Kritik an seinen Äußerungen zum Sozialstaat. „Guido Westerwelle geschieht Unrecht, davon bin ich überzeugt“, sagte der Minister. „Hätte er nicht zugespitzt, wäre die Debatte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts in eine völlig falsche Richtung gelaufen. Dann wäre es nur noch um eine Erhöhung der Hartz-IV-Sätze gegangen.“