Der FDP-Minister hatte die geplante Steigerungen der Ausgaben für Entwicklungshilfe in Zweifel gezogen. Jetzt hagelt es Kritik von allen Seiten.

Hamburg. Entwicklungsminister Dirk Niebel ist mit seinen Äußerungen zu den Entwicklungsausgaben sowohl innerhalb der schwarz-gelben Regierungskoalition als auch bei der Opposition auf Kritik gestoßen. „Wir sollten an dem Ziel festhalten, die deutsche Entwicklungshilfe auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen“, sagte der entwicklungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Holger Haibach, dem „Hamburger Abendblatt“ (Montag-Ausgabe). „Ich halte nichts davon, dieses Ziel, das auch im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, voreilig zu relativieren – zumal es auch zu erreichen ist.“

+++ DAS INTERVIEW MIT MINISTER NIEBEL IM WORTLAUT +++

Grünen-Chefin Claudia Roth hatte zuvor Niebel scharf attackiert, weil dieser die geplante Steigerung der Entwicklungsausgaben in Zweifel gezogen hatte. Niebel betätige sich „als Abrissbirne nachhaltiger Entwicklungspolitik“, sagte Roth dem "Hamburger Abendblatt". „Erst betreibt er eine radikale Militarisierung der Entwicklungszusammenarbeit, jetzt wirft er ohne jegliche Gegenwehr von sich aus ein international hart erkämpftes Mindestziel einfach so über Bord." Roth hielt Niebel vor, ihm sei „nicht nur die dramatisch anwachsende globale Hungerkrise vollkommen wurscht“, er habe auch die Zeichen der Zeit nicht begriffen. „Denn in einer globalisierten Welt wird es uns hart auf die Füße fallen, wenn die Entwicklungszusammenarbeit nichts mehr gilt“, mahnte die Grünen-Chefin.

Niebel hatte die Verpflichtung in Frage gestellt, die deutsche Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. „Wir müssen mit unseren Partnern diskutieren, ob das Volumen oder die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe die entscheidende Größe ist“, hatte Niebel dem „Hamburger Abendblatts“ (Sonnabend-Ausgabe) gesagt. „Ich halte die Wirksamkeit für entscheidend.“ Die Bundesregierung stehe zwar zu dem 0,7-Prozent-Ziel, doch werde es „sehr sportlich, es zu erreichen“.

Niebel räumte ein: „Das Zwischenziel für 2010, nämlich 0,51 Prozent, werden wir verfehlen.“ Um es zu erfüllen, hätte der Entwicklungsetat um dreieinhalb Milliarden Euro aufgestockt werden müssen. „Dieses Geld hätte mir Finanzminister Schäuble niemals gegeben“, sagte Niebel. Im Haushaltsausschuss des Bundestages sei nun eine Steigerung um etwa 250 Millionen Euro vereinbart worden. Damit liege der Entwicklungshaushalt für 2010 bei 6,1 Milliarden Euro. Vor Antritt seiner Asien-Reise am Sonntag kündigte Niebel an, er wolle Investitionen deutscher Firmen in Vietnam und Kambodscha erleichtern. „Wenn immer mehr Menschen ein eigenes Einkommen haben, wird Entwicklungshilfe eines Tages überflüssig“, sagte er.

Roth nahm nach dem Niebel-Interview auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ins Visier. Sie breche ihr Versprechen, das 0,7-Prozent-Ziel für die Entwicklungsausgaben bis 2015 zu erreichen. Schwarz-Gelb beerdige internationale Verpflichtungen still und heimlich, kritisierte Roth. „Steuersenkungen für Hoteliers und Besserverdienende haben offensichtlich Vorrang.“

Die Linken-Abgeordnete Niema Movassat warf dem FDP-Politiker vor: „Minister Niebel wandelt das Entwicklungsministerium schrittweise zu einem Mix aus Verteidigungs- und Wirtschaftsministerium um.“ Niebel – selbst Oberst der Reserve – war zuletzt heftig kritisiert worden, weil er einigen FDP-Parteifreunden wichtige Posten in seinem Ministerium verschafft hatte. Dazu zählt auch Oberst a.D. Friedrich Eggelmeyer, der zuvor jahrelang außen- und sicherheitspolitischer Berater der FDP-Bundestagsfraktion gewesen war. „Er ist ein hervorragender Kenner der Entwicklungszusammenarbeit. Außerdem beherrscht er die Sprache der Bundeswehr so, dass mein Ministerium vernünftig mit den Streitkräften zusammenarbeiten kann“, begründete Niebel im „Abendblatt“-Interview die Personalentscheidung.

Weitere Kritik zog Niebel mit neuen Reiseplänen auf sich: Der tourismuspolitische Sprecher der Grünen, Markus Tressel, wirft dem Minister vor, mit einer „entwicklungspolitischen Delegationsreise“ im Juni nach Afrika einen Besuch der Fußball-WM in Südafrika tarnen zu wollen. Tressel bezieht sich auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen, wonach die Niebel-Reise „möglicherweise auch nach Südafrika führen wird“. Die Reiseplanung im Ministerium sei aber noch nicht abgeschlossen, wie eine Sprecherin am Sonntag sagte.