Die Zusatzbeiträge sorgen für Zündstoff: Politiker fordern Maßnahmen zur Kostensenkung, Gewerkschaften machen den Bund verantwortlich.

Berlin. Wegen der von Krankenkassen angekündigten Zusatzbeiträge wächst der Spardruck auf Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP). Nach Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) forderte auch Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) Maßnahmen zur Kostensenkung im Gesundheitswesen.

Etliche gesetzliche Kassen, darunter die Großkassen DAK und KKH-Allianz, hatten gestern Zusatzbeiträge von monatlich acht Euro angekündigt. Krankenkassen können Zusatzbeiträge von ihren Versicherten fordern, wenn sie mit dem Geld aus dem Gesundheitsfonds nicht auskommen.

Söder forderte von Rösler ein Sparpaket. "Ich würde mir wünschen, dass er endlich Vorschläge zur Reduzierung des Defizits in der gesetzlichen Krankenversicherung macht", sagte er der "Süddeutschen". Der Minister müsse sich vor allem der überbordenden Bürokratie im Gesundheitssystem widmen.

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig warf dem Minister fehlende Sparbemühungen vor. Rösler habe "einfach die Kosten laufen lassen" und scheue sich vor allem vor Sparmaßnahmen im Arzneimittelbereich, sagte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern dem Fernsehsender N24. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach forderte die Bundesregierung auf, die Beiträge für Langzeitarbeitslose zur Krankenversicherung von derzeit 125 Euro zu verdoppeln. Dadurch könnten die Zusatzbeiträge vermieden werden.

Die Kassen erwartet in diesem Jahr ein Defizit von insgesamt 7,8 Milliarden Euro. 3,9 Milliarden davon werden durch zusätzliche Steuerzuschüsse ausgeglichen. Die restlichen 3,9 Milliarden müssen die Kassen selbst tragen. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung wies die Forderungen nach einer Kostensenkung bei den Kassen zurück. Die Kassen hätten in den vergangenen Jahren ihre Hausaufgaben gemacht, etwa durch eine Senkung der Verwaltungskosten, sagte ein Sprecher.

Wegen der Erhebung der Zusatzbeiträge rechnen die Kassen nun mit zusätzlichen Verwaltungskosten von bis zu einer Milliarde Euro. Ein weiteres Problem könnten säumige Zahler werden. Nach Einschätzung des Vorsitzenden der Gemeinsamen Betriebskrankenkasse Köln (GBK), Helmut Wasserfuhr, werden "im Schnitt 15 Prozent nicht zahlen". Die GBK hatte im vergangenen Sommer als erste Kasse den Zusatzbeitrag erhoben. Bei Nichtzahlern werde ein Mahnverfahren eingeleitet, sagte Wasserfuhr der "Bild"-Zeitung vom Dienstag. "Das geht gegebenenfalls bis zur Pfändung von Gehalt und Rente."

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) macht die Bundesregierung für die Zusatzbeiträge zur Krankenversicherung verantwortlich. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte am Dienstag in Berlin, der Bund zahle für Arbeitslosengeld-II-Empfänger pro Kopf und Monat nur die Hälfte der Summe an die Krankenkassen, die diese für die Arbeitslosen ausgeben müssen. Die Ausgaben lägen bei 250 Euro im Monat, der Bund zahle aber nur einen Beitrag von 125 Euro pro Arbeitslosen. Auch der Ökonom Bert Rürup kritisierte die Regierung.

Zusatzbeiträge könnten vermieden werden, wenn der Bund seinen Verpflichtungen für die Krankenversicherung der Langzeitarbeitslosen nachkomme, erklärte Buntenbach. So aber kämen Millionen Arbeitnehmer und Rentner dafür auf.