Körperscanner sollen mehr Sicherheit bringen. Können sie das wirklich? In Israel nutzt man stattdessen andere Methoden.

Hamburg. Das Warten auf die El-Al-Maschine beginnt am Frankfurter Flughafen mit einem zweiten Sicherheits-Check direkt vor dem Abflug-Gate. Israelische Sicherheitsleute verlangen von jedem Passagier persönliche Auskünfte. Was ich in Elat will. Wen ich besuche, Name, Adresse. Warum und wie lange. Ob ich meine Tasche allein gepackt hätte. Ob ich für Dritte Geschenke mitnähme. Wie hießen Ihre Eltern? Der Ton ist nicht freundlich, teilweise sogar einschüchternd.

Justizsenator Till Steffen lehnt Körperscanner ab

Gerade noch rechtzeitig vor der Prüfung des Handgepäcks fällt mir das Klappmesser ein, das in der Seitentasche meines Rucksacks steckt. Ein schönes, praktisches Survival-Messer zum Obstschneiden und Flaschenöffnen. Wozu ich das brauchen würde? "Wandern im Negev", sage ich.

Mit dem Messer könne ich "durch die offene Cockpittür zielen und den Piloten treffen", sagt der junge Sicherheitsoffizier und findet das lustig. Am Computer checkt er meine Freunde in Elat. Ich bin nicht vorbestraft, werde nicht gesucht, habe keine arabischen Stempel im Pass. Eine halbe Stunde geht es nur um das Messer. Netterweise nimmt es die Stewardess an sich. Sie händigt es mir später in Elat aus.

In Sicherheitsfragen verlassen die Israelis sich nicht auf Geräte, sondern auf "Profiling": Datenabgleiche schon nach dem Ticketkauf, zivile Beobachter am Flughafen, Extra-Gepäckkontrollen, persönliche Checks durch Spezialkräfte. Und Befragungen, bei denen dieses Personal jedem Passagier in die Augen sieht. Körperscanner kamen auf Israels Flughäfen bisher nicht zum Einsatz.

Die aktuelle Diskussion über neue Überwachungstechniken auf Flughäfen reduziert Sicherheit auf zwei Faktoren: auf Apparate und Passagierkontrollen . Eine völlig verkürzte Sichtweise, finden Israelis und auch einige deutsche Experten. Denn sie vernachlässigt eine entscheidende Größe: den Faktor Mensch.

Menschen müssen die Apparate bedienen und richtig auswerten können - ob es nun die herkömmlichen Gepäck- oder die künftigen Körperscanner sind. Menschen müssen Passagiere abtasten, Flughafenräume, Kameras, Werksgelände überwachen. Wenn sie kein Gespür für Risiken, keine Menschenkenntnis haben, wenn sie falsch oder gar nicht vorinformiert werden - wie naiv ist es dann, von Technik Schutz zu erwarten?

Wie sich zeigte, sind diverse US-Geheimdienstinformationen über den nigerianischen Islamisten, der am Weihnachtstag mit Sprengstoff am Körper von Amsterdam nach Detroit flog, nicht weitergegeben worden, nicht richtig bewertet worden, nicht kombiniert worden. Sollen Nacktscanner diese Lücke schließen?

"Es ärgert mich, dass wir ständig nur über Technik diskutieren und dabei den Blick auf den Menschen aus dem Auge verlieren", sagte Josef Scheuring, der für die Bundespolizei zuständige Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei. Wichtiger sei es, zu gewährleisten, dass an Flughäfen gut geschultes, motiviertes und entsprechend bezahltes Personal eingesetzt wird.

Raphael "Rafi" Ron hält Körperscanner für "Humbug, eine lächerliche Sicherheitsshow". Der ehemalige Sicherheitschef des Ben-Gurion-Airports in Tel Aviv, heute Leiter einer Beratungsfirma, warnt vor zu viel Technikgläubigkeit: In den USA und Europa achte man mehr auf Gepäckscanner statt auf das Verhalten von Passagieren, sagte er in der "Jerusalem Post".

Seit den Attentaten des 11. September 2001 schult seine Firma US-Flugsicherheitskräfte in einem Verfahren zur "Erkennung von Verhaltensmustern" (Behaviour Pattern Recognition). Sie werden trainiert, Mimik und Gestik von Reisenden besser zu deuten, verdächtiges Verhalten sensibler wahrzunehmen. "Die Achillesferse eines Selbstmordattentäters ist sein Verhalten", sagte Ron. "Jemand, der eine extreme Gewalttat vorhat - oft erstmals im Leben - und den eigenen Tod einkalkuliert, verhält sich nicht so wie die normalen Leute um ihn herum." Schwitzt er? Wirkt er bedrückt, extrem zurückhaltend, aggressiv, betont unauffällig?

Klar ist: Profiling bedeutet extrem hohen Personalaufwand in der Personenkontrolle, mindestens ebenso viele Auswerter im Hintergrund und viel, viel Zeit. Israel-Touristen müssen geradezu biblische Geduld aufbringen und dürfen keine politische Korrektheit erwarten. Vor Israels Sicherheitskräften sind keineswegs alle Menschen gleich.

Der amerikanische Anti-Terror-Experte Leonard Cole verteidigt das. Die in Freiheit und Gleichheit verliebten Europäer sollten nicht so scheinheilig tun, als gäbe es "bei einer Großmutter im Rollstuhl das gleiche Sicherheitsrisiko wie bei einem jungen Muslim", sagt er. Wäre der Detroit-Attentäter Umar Faruk Abdulmutallab in Tel Aviv losgeflogen, wäre er siebenmal kontrolliert worden, nur weil er "Umar" heißt, sagt Rafi Ron.

Ein ganz anderes Sicherheitskonzept verfolgt die amerikanische Flugsicherheitsbehörde TSA: "Wir machen kein Profiling", sagte Sprecherin Kristin Lee der "New York Times". "Unsere Sicherheitsmaßnahmen basieren auf Verboten und Drohung, nicht auf religiösen oder ethnischen Überlegungen."

Die TSA plant in naher Zukunft die Anschaffung von bis zu 300 Körperscannern, "um Anomalien (bei Passagieren) zu entdecken", so Lee. Auch Großbritannien will die Technik einführen. Die deutsche Bundespolizei, verantwortlich für Passagier- und Gepäckkontrollen auf deutschen Flughäfen, will die Technik "erst testen", sagte Sprecher Maik Lewerenz gestern dem Abendblatt. Geprüft würden Technik, Gesundheitsschutz und Schutz der Privatsphäre. Man setze aber "auch auf Profiling", fügte er hinzu.

Der Körperscanner ist das bisher deutlichste Symbol für den "gläsernen Menschen", komplett durchschaubar bis hin zu Transplantaten und Urinbeuteln. Damit ist für viele Amerikaner, Briten, Holländer und Deutsche das Maß zumutbarer Sicherheitsmaßnahmen voll. Sie fragen, wie effizient die Körperscanner wirklich sind. Die bisher in London und Madrid verübten und in Deutschland vereitelten Terroranschläge fanden nicht in Flugzeugen statt, sondern richteten sich gegen Vorortzüge, tägliche Massenbewegungsmittel. Wie lange dauert es dann noch, bis Nacktscanner auch im öffentlichen Nahverkehr oder bei Fußballspielen eingesetzt werden? Es gibt auf der Welt kein Gerät, das in die kranken Gehirne von Fanatikern schauen könnte.