Die Gespräche gingen bis spät in die Nacht. CDU, CSU und FDP haben die Schlussrunde ihrer Koalitionsverhandlungen eingeläutet.

Berlin. Der Zeitplan ist straff: Sonnabendmorgen soll der Koalitionsvertrag in der Berliner Bundespressekonferenz vorgestellt werden. Die Mitglieder der Bundestagsfraktionen wurden dazu angehalten, sich ab morgen Nachmittag ständig bereitzuhalten, um gegebenenfalls unverzüglich zusammenzutreten und das Verhandlungsergebnis abzusegnen - wohlgemerkt inklusive der Ressortverteilung.

Am Sonntag will dann die FDP auf einem Sonderparteitag über den Kontrakt abstimmen, CDU und CSU folgen am Montag. Bis dahin haben die Koalitionäre in spe jedoch noch ein Marathon zu bewältigen: zwei Sitzungen, in denen bis tief in die Nacht verhandelt werden soll. Gestern lag der großen Koalitionsrunde eine streng vertrauliche erste Langfassung des Koalitionsvertrags vor. Das offenbar von 300 auf 150 Seiten zusammengestrichene Extrakt der Arbeitsgruppenergebnisse enthielt bei den strittigen Punkten mehrere Lösungsvarianten, die den Parteichefs zur endgültigen Entscheidung vorgelegt wurden.

Für recht schrille Begleitmusik hatte der am Vortag bekannt gewordene Plan der Parteien gesorgt, einen Nebenhaushalt zur Finanzierung der Defizite in den Sozialversicherungen einzurichten. Politiker von Union und FDP verteidigten das Vorhaben gegen breite Kritik von Opposition und Ökonomen. Ziel des Fonds sei es, die Bundesagentur für Arbeit (BA) dauerhaft mit stabilen Beiträgen führen zu können, sagte der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon (CSU) im ZDF. Der Schattenetat könnte einen Umfang von bis zu 70 Milliarden Euro haben und würde neben dem offiziellen Bundeshaushalt herlaufen.

In ihm würden die Staatshilfen für die BA in den kommenden Jahren gebündelt. In den Koalitionsverhandlungen wird erwogen, der BA über den Fonds 45 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen und der gesetzlichen Krankenversicherung rund vier Milliarden. Gespeist würde der Fonds zum Großteil aus neuen Schulden. Er könnte so gestaltet werden, dass die ab 2011 greifende neue Schuldenbremse im Grundgesetz ihn nicht erfasst.


Die Entscheidung über Art und Umfang des Fonds soll in diesen Stunden ebenso fallen wie die Frage, wie das Gesundheitssystem gestaltet wird. FDP und Teile der CDU wollen den Einstieg in ein System mit pauschalen Beiträgen, die CSU lehnt das ab. Auch das Thema Wehrpflicht ist weiterhin umkämpft. Die FDP verlangt die Aussetzung, CDU und CSU halten das Prinzip des Staatsbürgers in Uniform für unverzichtbar.


Geeinigt hat sich die neue Regierung darauf, nach dem Vorbild der Stiftung Warentest eine Stiftung Datenschutz für das Internet ins Leben rufen. "Unser Ziel ist es, im Netz eine Art Gütesiegel zu etablieren, das den Nutzer darauf hinweist, bei welchen Anbietern seine Daten sicher sind", sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der "Zeit".


Kanzlerin Angela Merkel (CDU), FDP-Chef Guido Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer kamen gestern Abend zusammen, um die Verhandlungen im sogenannten Beichtstuhlverfahren fortzusetzen. Dabei sollte es nach Abendblatt-Informationen auch erstmals um das Personaltableau gehen. Gestern verdichteten sich die Hinweise darauf, dass Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) zum Finanzminister aufsteigen könnte. Merkel wolle das einzige Ministerium mit Vetorecht im Kabinett unbedingt einem Vertrauten überlassen, heißt es.


Für die Nachfolge de Maizières im Kanzleramt kommt demnach der bisherige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla infrage. Nach Abendblatt-Informationen soll Merkel Pofalla bereits vor mehreren Wochen gefragt haben, ob er bereit wäre, diesen Posten zu übernehmen. Bislang galt Pofalla als aussichtsreichster Aspirant auf die Nachfolge von Olaf Scholz (SPD) im Arbeitsministerium. Dessen Job soll nun offenbar Norbert Röttgen übernehmen, bisher parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion. Auch Röttgen wurde als Kanzleramtsminister gehandelt, doch das Verhältnis zwischen Merkel und Pofalla ist enger.