Ist das ein schrittweiser Abschied von der solidarischen Finanzierung der Pflegeversicherung? Arbeitnehmer sollen mehr zahlen.

Die Bürger müssen sich auf höhere Kosten für die Pflegeversicherung einstellen. Union und FDP planen den Aufbau eines Kapitalstocks, für den Extrabeiträge fällig würden. Dies bestätigten Unionskreise am Mittwoch. Faktionschef Volker Kauder betonte aber, dass Details noch offen sind: „Es ist noch überhaupt nichts entschieden.“

Eine Erhebung von Pauschalbeträgen wäre ein schrittweiser Abschied von der solidarischen Finanzierung der Pflegeversicherung, da dann der Arbeitgeberbeitrag wegfiele.

Mit dem angesparten Kapital soll die Versorgung der künftig rasch steigenden Zahl von Pflegebedürftigen gesichert werden. Kauder sagte, die Frage werde am noch am heutigen Mittwoch bei den Koalitionsverhandlungen beraten. Aufgrund der demografischen Entwicklung gehe es darum, eine Sicherung für die junge Generation einzuziehen. Zu den Kosten sagte Kauder: „Wenn eine Kapitaldeckung überlegt wird, dann kann der Beitrag nicht vom Himmel fallen.“

Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) erklärte, gute Pflege koste natürlich Geld: „Dabei müssen wir uns aber bewusst sein, dass sich bei Pflegebedürftigkeit ein allgemeines Lebensrisiko verwirklicht. Eine finanzielle Absicherung des Einzelnen für dieses Lebensrisiko halte ich daher für sachgerecht.“

Einzelheiten des Konzepts sind vorerst undurchsichtig. FDP-Vizechefin Cornelia Pieper sagte dem Sender N24: „Wir wollen natürlich insbesondere für die Pflegefälle und die älteren Menschen die gesetzliche Pflegeversicherung im Umlageverfahren behalten. Aber wir wollen auch einen Einstieg in ein kapitalgedecktes Verfahren für die jüngere Generation.“ Beim Versprechen „Mehr Netto vom Brutto“ soll es laut Pieper trotzdem bleiben.

Eine Umstellung des prozentual am Einkommen bemessenen Beitrags für die jetzige Pflegeversicherung auf Pauschalen ist nach Angaben aus der Unionsfraktion nicht vorgesehen. Ein entsprechender Bericht der „Berliner Zeitung“ wurde dementiert. Das Blatt bezog sich auf Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Unionsfraktions-Sitzung. Aus der Fraktion hieß es, Merkel habe nur die Optionen dargelegt: „Frau Merkel war sehr vage.“

Die zusätzlichen kapitalgedeckten Elemente will die Union schon lange, konnte sie aber in der Großen Koalition nicht verwirklichen. Während bisher die Einnahmen der Pflegeversicherung direkt in die Versorgung fließen und nur kleine Rücklagen bleiben (Umlageverfahren), würde damit systematisch eine Reserve für die Zeit ab etwa 2027 aufgebaut. Dann werden viele zusätzliche Pflegefälle aus den geburtenstarken Jahrgängen erwartet. In den Kapitalstock einzahlen müssen aller Voraussicht nach die Versicherten alleine.

Im Papier der zuständigen Koalitions-Arbeitsgruppe heißt es, die derzeitige Pflegeversicherung könne auf Dauer keine verlässliche Teilabsicherung der Pflegekosten garantieren: „Daher brauchen wir neben dem bestehenden Umlageverfahren eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss.“

Von Opposition und Verbänden kam sofort Kritik. Die SPD-Expertin Elke Ferner sprach vom „Abschied von der Solidarität“ und einseitiger Belastung der Versicherten. Auch die Linke befand: „Mit ihren Plänen zur Reform der Pflegeversicherung kündigen Merkel & Co. den Solidarpakt endgültig auf.“

Der Deutsche Gewerkschaftsbund zeigte sich ebenfalls alarmiert. „Wir warnen vor einer Einführung von Kopfpauschalen und kapitalgedeckten Zusatzversicherungen in der Pflege.“ Folge wäre „eine explosionsartige Belastungswelle“ für Arbeitnehmer. Auch die Volkssolidarität wandte „sich entschieden gegen eine Privatisierung der Pflegeversicherung.“