Präsidium stellt hohe Forderungen an die Grünen. Wahl stärkt Westerwelle: Gerhardt würde ihm den Fraktionsvorsitz überlassen.

Berlin. "Man kann einen Wahlsieg auch nach einer Wahl noch verspielen." FDP-Vize Rainer Brüderle, seit Jahrzehnten in Wahlkämpfen erprobt, war am Tag danach besonders vorsichtig mit Prognosen. "Das ist jetzt Millimeterarbeit", sagte er mit Blick auf die wuchernden Koalitionsspekulationen. Mit ihrem fast zweistelligen Ergebnis und den Stimmenverlusten von SPD und Union sind die Freidemokraten zum Zünglein an der Waage für alle Varianten von Ampel-Koalitionen geworden.

Deshalb wählte Parteichef GuidoWesterwelle −wie schon in der letzten Woche vor der Wahl, als er seine Partei per Parteitagsbeschluß auf Schwarz-Gelb festlegte − wieder die Offensive. FDP-Präsidium, Fraktions- und Bundesvorstand beschlossen einstimmig: "Keine Gespräche mit der SPD über eine rot-grüngelbe Ampel." Die Tür zu Kanzler Gerhard Schröder ist damit für die FDP endgültig zu.

Ganz andere Signale dagegen an die Adresse der Kanzlerkandidatin der Union. "Wenn Angela Merkel zu Sondierungen einlädt, gehen wir hin." Daß dies bereits als Weichenstellung für eine schwarz-gelb-grüne Koalition − die sogenannte Schwampel oder Jamaika-Koalition − gedeutet werden könnte, wurde in der FDP zunächst bestritten: "Merkel muß jetzt sehen, was geht und was nicht." Westerwelle jedenfalls, der mehrfach mit Merkel telefoniert hatte ("Eine sehr zuverlässige, die Vertraulichkeit achtende Gesprächspartnerin"), nahm das Wort Opposition gestern nicht mehr in den Mund. "Ob die Grünen sich neu erfinden und Schwarz-Gelb zur Verfügung stehen, kann ich nicht beurteilen", reichte der Parteichef den Schwarzen Peter erst einmal an die Konkurrenz weiter.

Grünen-Vormann und FDP-Intimfeind Joschka Fischer hat sich vorsorglich bereits von der Ministerliste in einer Merkel-Koalition gestrichen − das wurde bei den Freidemokraten aufmerksam registriert. FDP-Präsiden nannten vorsorglich schon mal ein paar Bedingungen für eine "Schwampel": Freigabe der Stammzellenforschung, runter mit den Steuern, betriebliche Bündnisse für Arbeit − und natürlich, als drittstärkste Kraft im Bundestag, das Amt des Außenministers und des Vizekanzlers.

Wie stark die Anhänger zumindest eines schwarz-gelb-grünen Versuchs in den Reihen der FDP sind, ließ sich am ersten Tag nach der Wahl kaum abschätzen. Ein solches Bündnis sei das attraktivste aller derzeit denkbaren Varianten und dürfe nicht von vornherein ausgeschlossen werden, appelliert beispielsweise der schleswig-holsteinische FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki an seine Parteifreunde. Ex-Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger: "Wir haben den Auftrag, eine große Koalition zu verhindern." Der Berliner FDP-Chef Markus Löning bittet die Grünen, ein Bündnis mit Union und FDP nicht "von vornherein" auszuschließen und verweist auf die "inhaltlichen Gemeinsamkeiten".

Junge FDP-Abgeordnete senden noch ein anderes, innerparteilich wichtiges Signal aus: Wenn Westerwelle will, kann er mit breiter Zustimmung bei der Wahl des Fraktionschefs rechnen. Der Erfolg der FDP wird vor allem dem Parteichef zugerechnet. Der bisherige Fraktionsvorsitzende Wolfgang Gerhardt hätte bei einer Gegenkandidatur kaum eine Chance. "Gerhardt räumt kampflos das Feld", wurde denn auch unter den FDP-Parlamentariern gestreut. Von den 40 Prozent Neulingen in der von 47 auf 61 Abgeordnete angewachsenen Fraktion gehören viele zur jüngeren Generation. Sie stützt innerparteilichWesterwelle. Der 43jährige Parteichef hat in diesem Wahlkampf deutlich an Statur gewonnen, so der vorherrschende Eindruck. (dpa)