Fischer lehnt Ministeramt unter Merkel ab, Bündnis mit CDU hat kaum grüne Freunde. Bütikofer mahnt von Schröder ein Konzept an.

Berlin. Das von vielen Grünen befürchtete innerparteiliche Hauen und Stechen ist vorerst abgesagt. Viele hatten heftige Eruptionen über Personen und Programm für die Nachwahl-Zeit erwartet. Doch die Ökopartei kam mit 8,1 Prozent weit über die auch in der Parteizentrale für möglich gehaltenen sechs Prozent hinaus.

SämtlicheWahlziele − zuzulegen, Rot-Grün zu verteidigen und drittstärkste Kraft zu werden − haben die Grünen zwar verfehlt. Doch sie werden gebraucht, wenn sich Union und SPD nicht irgendwie zusammenraufen. Der Begriff "Jamaika-Koalition" versinnbildlicht dabei für Außenminister Joschka Fischer die ganze Absurdität der Situation. "Ich sehe die plötzlich mit Dreadlocks da sitzen, eine Tüte in der Hand, Reggaemusik im Hintergrund", malt der Grünen-Spitzenkandidat die Szenerie aus. Grüne im Bündnis mit der Union und der FDP? "Keine Option", sagt er. Die Farben der jamaikanischen Flagge − schwarzgelb- grün − in eine politische Allianz übersetzt, das übersteigt die Phantasie der meisten Grünen.

Parteichef Reinhard Bütikofer warnt davor, sich zum "Hilfsmotor" für Union und FDP zu machen und "durch die Hintertür marktradikale, schwarz-gelbe Durchregierer an die Macht zu bringen". Für die Grünen zählten inhaltliche Übereinstimmungen, erst danach komme die Machtfrage. Seine Amtskollegin Claudia Roth listet auf, welche inhaltlichen Differenzen von der Atompolitik über die Gentechnik bis zur Integration der Türkei in die EU bestehen.

Auch Fraktionschefin Krista Sager meinte im Inforadio rbb, eine Jamaika-Koalition sei "eher etwas für die Theorie und nicht für die Praxis". Sie habe den Eindruck, daß die Union mit dieser Option "nur Spielchen betreibt, die nicht ganz ernst zu nehmen sind, um den Preis für die große Koalitionsbeteiligung hochzutreiben". Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele machte es ganz deutlich: Er warnte im ZDF vor einem "Bermudadreieck", in dem die Partei untergehen werde. Aber es gibt bei den Grünen auch Stimmen, die ernsthafter mit dem Gedanken einer schwarz-gelb-grünen Koalition spielen. Verbraucherministerin Renate Künast brachte es im Deutschlandradio Kultur auf den Punkt: "Gestalten in der Regierung ist mir im Zweifelsfall lieber" als Opposition.

"Zum ersten Mal erkennt uns die Union als ernsthaften Gesprächspartner an", freut sich ihr Staatssekretär Matthias Berninger. "Dem werden wir auch mit Ernsthaftigkeit begegnen." Selbstbewußtsein demonstrieren die Grünen auch Richtung SPD: "Auch Gerhard Schröder wird sagen müssen, was er noch will, außer Kanzler bleiben", sagt Bütikofer.

CDU-Chefin Angela Merkel und SPD-Chef Franz Müntefering haben sich bereits gemeldet, als die Grünen am Nachmittag in Berlin zur Pressekonferenz laden. Fischer schließt danach aus, unter Angela Merkel Minister bleiben zu wollen. Sie werde ohnehin nicht Kanzlerin. Was wird? Dem Außenminister ist spitzbübische Freude anzusehen, als er ausführt: "In den nächsten Wochen kann ich nur sagen, da wird kalendarisch der Herbst beginnen, dann bewegen wir uns Richtung Weihnachten, und ansonsten schau’n mer mal." Ob er Fraktionschef wird? Zu früh. Nur eines ist sicher: Das Wählervotum sei ein Zeichen von Reife, eine Neuwahl deshalb gegen Volkes Wille.

Wie groß die Ablehnung an der grünen Partei-Basis gegen eine Jamaika-Koalition ist, zeigten bereits zwei junge Mitglieder, die während der Pressekonferenz Fischers und der Parteiführung ein Plakat mit der Aufschrift entrollten: "Keine Kanzlerin Merkel durch Grüne Hilfe". Fischer winkte besänftigend ab: "Nicht nötig: Rollt’s wieder ein!"