Hamburg. Die Union hatte mit Angela Merkel eine Frau an die Spitze gestellt. Aber genützt hat es weder der Partei noch der Politikerin. Für Frauen ist Merkels Geschlecht kein Grund gewesen, ihr die Stimme zu geben. "Im Mittelpunkt standen Themen wie Arbeitsmarkt und Steuern", sagt Sibylle Küster, Historikerin und Koordinatorin für Gender Studies (Geschlechterstudien) an der Universität Hannover, dem Abendblatt.

Die Geschlechterfrage habe keine wichtige Rolle gespielt, weil sie auch gar nicht zugelassen worden sei. "Ich habe noch nie erlebt, daß bei einem Kandidaten ständig die Führungsqualitäten in Frage gestellt werden. Es wurde so getan, als ob Frausein und Führenkönnen sich gegenseitig ausschließen", so Küster. Die Attribute Durchsetzungskraft und Führungsstärke seien männlich besetzt. "Und die Deutschen sind sehr zäh, daran etwas zu verändern."

Frauensolidarität habe gegenüber Angela Merkel ihre Grenzen gehabt. "Frau Merkel wurde nicht wahrgenommen als jemand, der frauenpolitisch konkrete Pläne hat, die etwa Frauen in der Wissenschaft oder Alleinerziehenden tatsächlich zugute kommen", sagt die Historikerin. Bei der Steuerpolitik sei eher das Gegenteil der Fall gewesen. Und Merkel habe frauenpolitisch "keinerlei Kompetenzen an den Tag gelegt, die Wählerinnen für sie hätten mobilisieren können".

Ähnlich sieht es Antje Schlag, Initiatorin der Initiative www.frauen-fragen-merkel.de im Internet. "Merkel ist in dieser Richtung nicht aktiv geworden." Frauenpolitik sei für sie kein Thema gewesen. "Deshalb war sie für die Mehrheit der Frauen nicht wählbar."

Brigitte Huber, stellvertretende Chefredakteurin der Frauenzeitschrift "Brigitte", betont: "Angela Merkel hat nie auf den Frauenbonus gesetzt. Warum sollte sie ihn dann bekommen, wenn Frauen nicht das Gefühl haben, bei ihr besonders gut aufgehoben zu sein?" Frauen würden Inhalte wählen. "Und sie geben ihre Stimme letztlich der Person, von der sie glauben, daß sie die Inhalte am besten umsetzen kann."

Nach Meinung von Sibylle Küster hat Angela Merkel auch mit ihrem Credo, Deutschland dienen zu wollen, Wählerinnen abgeschreckt. "Das spricht doch eher für ein sehr traditionelles Rollenbild." Brigitte Huber glaubt, daß Angela Merkel am Anfang einen kleinen Frauenbonus gehabt hat. "Man hat sich das zumindest sehr wohlwollend überlegt, sie zu wählen. Aber den Bonus hat sie auch wegen der verschiedenen Frauenbilder in der Union verspielt."

Schließlich hätte auch die "fragile Rolle" von Merkel innerhalb der eigenen Partei eine Rolle gespielt, so Brigitte Huber. "Ihr wurde nicht zugetraut, die Zügel in der Hand zu halten und Reformen durchzusetzen."

Die Schwierigkeiten Angela Merkels in der eigenen Partei sieht auch Andreas Kießling, Politologe an der Universität München. "Ältere CSU-Wählerinnen waren Frau Merkel gegenüber sehr skeptisch. Und Wechselwählerinnen aus den Nicht-C-Parteien konnte sie kaum für sich gewinnen."