Die Bilder des Irrsinns gleichen sich auf unheimliche Weise, die Frage nach Ursachen und Motiven macht hier wie dort die Menschen ratlos. Während...

Samson/Alabama. Die Bilder des Irrsinns gleichen sich auf unheimliche Weise, die Frage nach Ursachen und Motiven macht hier wie dort die Menschen ratlos. Während der 17-jährige Amokläufer Tim K. in der Realschule von Winnenden ein Blutbad anrichtete, hatten sich viele Tausend Kilometer westlich, im US-Bundesstaat Alabama, bereits Trauer und Verzweiflung über die Kleinstadt Samson gelegt. Auch hier hatte ein Amokläufer eine blutige Spur in einer ländlichen Region hinterlassen, zehn Menschen starben durch seine Kugeln, ehe er sich selbst tötete. Nur wenige Stunden trennen die Taten in Deutschland und den USA.

Die Motive des 27-jährigen Amokschützen geben Rätsel auf, die Folgen der Tat können aber mit erschütternder Klarheit bilanziert werden: Der Täter erschoss nach ersten Erkenntnissen seine Mutter, seine Großeltern, Onkel und Tante, seine Freundin, die Frau und das einjährige Kind eines Vize-Sheriffs und außerdem zwei Passanten an einer Tankstelle und einem Ladengeschäft, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Verfolgt von der Polizei, verschanzte sich der Täter in einer Fabrik für Klimaanlagen, wo er sich mit der Waffe schließlich selbst richtete.

Was zurückbleibt, sind Fassungslosigkeit und Unverständnis. Der Bürgermeister von Samson, Clay King, zählt zu denen, die in den Stunden nach dem Schock hilflos nach einer Erklärung suchen. "Das alles ergibt keinen Sinn", sagt er. "Das ist so, als ob man ganz unvermittelt einen Schlag in die Magengrube bekommt."

Samson ist ein ländlicher Weiler mit nur 2000 Einwohnern, jeder kennt hier jeden. "Es ist ein enormer Verlust für die Stadt", sagt King. "Alle kannten die Opfer."

Sheriff Greg Ward berichtet von einem besonders tragischen Detail: Sein Stellvertreter Josh Myers habe sich an der Verfolgungsjagd auf den Amokläufer beteiligt - und erst hinterher erfahren, dass seine Frau und sein 18 Monate altes Kind zu den Opfern zählten. "Was hier passiert ist und warum es passiert ist, entzieht sich einfach jeder Beschreibung", sagte Ward. Myers sprach wenige Stunde nach der Tat mit Journalisten. "Ich habe so viel geweint, ich habe keine Tränen mehr übrig", sagte er. "Ich werde nie in meinem Leben verstehen, was passiert ist. Ich kannte den Täter nicht. Ich habe ihn nie getroffen."

Nach Informationen der örtlichen Medien handelt es sich bei dem Amokschützen um einen 27-Jährigen. Wayland Tharp aus Samson hatte früher eine Zeit lang mit ihm in einer Bäckerei zusammengearbeitet. "Er war sehr ruhig, sehr zurückhaltend, keiner, der Ärger machte", erinnert sich Tharp. "Er machte einfach seinen Job." Warum aus einem offenbar unauffälligen Menschen ein Mörder wurde, war unklar. Laut Medien arbeitete der Täter früher in jener Fabrik, in der er sich schließlich selbst das Leben nahm.

Ob ein Zusammenhang zwischen der Arbeit und der Tat besteht, konnten die Ermittler zunächst nicht sagen. Die Polizei recherchiert nach eigenen Angaben an sechs Tatorten. Begonnen hatte der Amoklauf im Dorf Kinston, wo der Täter seine Mutter erschoss und deren Haus in Brand setzte. Danach fuhr er nach Samson, wo er seine Bluttat fortsetzte. Er flüchtete mit dem Auto, die Polizei war ihm mit Sirenengeheul auf der Spur. Der Täter schoss auf die Beamten. Eine Kugel durchschlug die Windschutzscheibe des Streifenwagens. Ein Beamter wurde von einer Kugel getroffen, überlebte aber, weil er eine Schutzweste trug.

Der blutige Amoklauf endete in einem Gebäude der metallverarbeitenden Firma Reliable Metal Products. "Der Mann betrat die Fabrik", heißt es in einer Erklärung der Polizei. "Dann waren mehrere Schüsse von drinnen zu hören. Polizisten fanden ihn tot auf, er starb wahrscheinlich an selbst zugefügten Schusswunden."