Mangels Abgeordneter wird Bundestagssitzung abgebrochen - Opposition zufrieden, Union empört. Aber auch Ministerin Schröder kam zu spät.

Berlin. Das umstrittene Betreuungsgeld wird frühestens im Herbst verabschiedet. Mit einem erfolgreichen Abstimmungsmanöver im Bundestag erzwang die Opposition am Freitag eine Verschiebung: Wegen Beschlussunfähigkeit des Parlaments wurde dessen Sitzung vorzeitig abgebrochen.

Die kurz danach geplante erste Lesung des Betreuungsgeld-Gesetzes fiel deshalb aus. Nach längerer Bedenkzeit verzichtete die Koalition auf eine Sondersitzung, um das vor allem von der CSU forcierte Gesetz noch wie geplant in diesem Monat endgültig durchzubringen. Sie hat es somit nicht geschafft, das Streitthema aus der Sommerpause herauszuhalten.

+++ Die CSU muss weiter für Betreuungsgeld werben +++

Nach Angaben eines Unions-Fraktionssprechers soll der erste Durchgang für die staatliche Leistung für Eltern von Kleinkindern nun in der letzten Juni-Woche nachgeholt werden. Endgültig verabschiedet werden solle das Projekt nach der Sommerpause Mitte September. Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linkspartei) beendete die Sitzung kurz vor 12 Uhr vorzeitig. Zuvor stellte sie bei einer sogenannten Hammelsprung-Abstimmung die Beschlussunfähigkeit des Parlaments fest. Bei einem Hammelsprung müssen alle Abgeordneten den Saal verlassen und dann durch eine Ja-, eine Nein- oder eine Enthaltungstür wieder hereinkommen. Bei der Auszählung wurde festgestellt, dass lediglich 211 Parlamentarier im Saal waren. Um beschlussfähig zu sein, müssen im Bundestag mehr als die Hälfte der 620 Abgeordneten anwesend sein. Beide Seiten gaben sich anschließend gegenseitig die Schuld für den Abbruch der Parlamentssitzung. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von "Arbeitsverweigerung der Opposition". Sein CSU-Kollege Alexander Dobrindt sprach von einem "kleinen dreckigen Foulspiel der Oppositionsparteien. Das ist ein Gefrierpunkt der demokratischen Kultur." Die SPD wolle mit dem Verfahrenstrick offenbar dem Austausch über Sachfragen aus dem Weg gehen.

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann wies dagegen darauf hin, dass 126 der Parlamentarier von Union und FDP im Plenum gefehlt hätten. Es sei nicht Aufgabe der Opposition, diese mangelnde Präsenz der Koalition auszugleichen. Nicht wenige Parlamentarier von Schwarz-Gelb seien zudem "aus stummem Protest" gegen das Betreuungsgeld schon frühzeitig aus Berlin abgereist. Ähnlich äußerte sich sein Grünen-Kollege Volker Beck. Es habe aufseiten der Oppositionsspitzen keinerlei Weisung gegeben, der Sitzung fernzubleiben, versicherte er. Auch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) hat laut "Welt" die Teilnahme an der Abstimmung verpasst, an der schließlich die erste Lesung ihres Gesetzes zunächst gescheitert ist. Schröder befand sich demnach zwar auf dem Weg zum Bundestag, erreichte das Parlament aber nicht mehr.

Das Betreuungsgeld soll ab 2013 an Eltern gezahlt werden, die für ihre Kinder kein staatlich gefördertes Betreuungsangebot und keine öffentlich bezuschusste Tagesmutter in Anspruch nehmen. Die Unionsführung argumentiert, dass das Betreuungsgeld neben dem Kita-Ausbau für Wahlfreiheit der Eltern sorge. Kritiker halten es dagegen in Zeiten von Sparanstrengungen für überflüssig und beklagen, es halte Mütter vom Arbeitsleben fern. Zudem schade es den Integrationsbemühungen.

Am Donnerstag hatte sich Kanzlerin Angela Merkel mit CDU-Frauen getroffen, die dem Vorhaben kritisch gegenüberstehen. Sie machten sich anschließend Hoffnung auf Änderungen. Allerdings machte Merkel nach Angaben von Teilnehmern keinerlei Zugeständnisse. Auch in der FDP gibt es Widerstand.

In der Koalition hieß es, das Familienministerium sei zu Veränderungen bereit. Hierzu gehöre etwa, das Betreuungsgeld an die Teilnahme an Vorsorgeuntersuchungen zu knüpfen. Auch werde erwogen, es auch an Eltern auszuzahlen, die ihr Kind halbtags in eine Krippe schicken. Allerdings verweigere sich hier die CSU.

Inzwischen wächst der Widerstand in der Bevölkerung gegen das Betreuungsgeld immer mehr an. Sprachen sich im November noch 53 Prozent dagegen aus, sind es laut ZDF-"Politbarometer" mittlerweile 71 Prozent. Nur 25 Prozent fänden das Betreuungsgeld richtig. Auch bei den Anhängern von CDU und CSU sind demnach 64 Prozent gegen das Projekt.