Mit einer Finte, wie sie nur selten im Bundestag vorkommt, hat die Opposition die Koalition bei der Beratung des Betreuungsgeldes überrumpelt. Sie provoziert die Beschlussunfähigkeit des Parlaments und verzögert damit die Verabschiedung.

Berlin. Mit einem außergewöhnlichen Abstimmungstrick hat die Opposition die Verabschiedung des ungeliebten Betreuungsgeldes noch vor der Sommerpause ins Wanken gebracht. SPD, Grüne und Linke sorgten am Freitag im Bundestag bei einer Abstimmung über einen anderen Tagesordnungspunkt dafür, dass die amtierende Parlamentspräsidentin Petra Pau (Linke) die Beschlussunfähigkeit des Plenums feststellen musste. Sie brach daraufhin die Sitzung vorzeitig ab.

Offen blieb danach, ob die Koalitionsfraktionen noch vor der Sommerpause eine Sondersitzung beantragen und so das vor allem von der CSU forcierte Gesetz doch noch spätestens Anfang Juli verabschieden können.

CDU und CSU reagierten äußerst wütend auf den Verfahrenstrick der Opposition. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sprach von einer „Arbeitsverweigerung der Opposition“. Sein CSU-Kollege Alexander Dobrindt hielt der Opposition unparlamentarisches Verhalten vor und sprach von einem "miesen Trick“. Die FDP, die dem Betreuungsgeld sehr skeptisch gegenübersteht, hielt sich zurück. In Kreisen der FDP-Fraktion hieß es aber, die Verweigerung der Abstimmung komme einem Parlamentsboykott der Opposition gleich.

Union: Mieser Trick der Opposition bei Betreuungsgeld

Pau stellte nach einem sogenannten Hammelsprung die Beschlussunfähigkeit des Parlaments fest. Bei einem Hammelsprung müssen alle Abgeordneten den Plenarsaal verlassen und dann durch eine Ja-, eine Nein- oder eine Enthaltungstür wieder hereinkommen. Bei der Auszählung stellte sie fest dass weniger als die Hälfte der Abgeordneten im Saal anwesend waren, nämlich 211 statt der erforderlichen 311. Die Union hielt der Opposition vor, dass viele ihrer Abgeordneten vor der Tür stehengeblieben seien.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, wies die Vorwürfe der Koalitionsvertreter zurück und sagte, die Opposition sei nicht dafür verantwortlich, dass bei einer Abstimmung über ein Koalitionsgesetz genügend Abgeordnete anwesend seien. Die Koalitionsfraktionen konnten selbst nicht genügend Abgeordnete aufbieten.

Pau sagte, es habe ausreichend Zeit gegeben, dass nach der Benachrichtigung noch genügend Abgeordnete zum Hammelsprung hätten kommen können. Bis zum Hammelsprung seien etwa 20 Minuten nach dem ersten Klingeln vergangen. "Es hat geklingelt von der Toilette bis zur Tiefgarage“, sagte sie vor allem an die Koalition gewandt.

Beck ging davon aus, dass eine Verabschiedung des Gesetzes vor der Sommerpause unwahrscheinlich ist. Nach seinen Angaben hatte die Koalition am Freitagnachmittag noch keinen Antrag auf eine Sondersitzung gestellt. Der Ältestenrat hatte nach dem Eklat das weitere Vorgehen beraten. (abendblatt.de/dpa)