Kipping und Riexinger wurden zum neuen Führungsduo der Linkspartei gewählt - aber Gysi und Lafontaine befeuern Richtungskonflikt.

Göttingen. Die Linkspartei steht nach ihrem Parteitag vor einem Scherbenhaufen. Die rund 550 Delegierten wählten mit Bernd Riexinger und Katja Kipping zwei neue Parteivorsitzende, die weitgehend den Wünschen des fundamentalsozialistischen Flügels der Partei entsprechen. Der Kandidat der Reformer, der stellvertretende Bundestagsfraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch, unterlag Riexinger knapp, nachdem es zuvor zu öffentlichen Auseinandersetzungen in nie dagewesener Schärfe gekommen war. Damit ist die Befriedung missglückt, eine Trendwende der sich in einer Abwärtsspirale befindenden Linken ist nicht abzusehen.

Gleich nach der Wahl Riexingers kam es zu einem Eklat: Die Radikal-Linken stimmten die Kommunistenhymne "Die Internationale" an. Reformer hörten dabei den auf sie gemünzten Text "Ihr habt den Krieg verloren". Die Verärgerung in dem Lager um Bartsch war so groß, dass sich Vertreter des gegnerischen Flügels genötigt sahen, in Stellungnahmen vor dem Parteitag zu erklären, sie hätten Derartiges nie gesungen, und sie entschuldigten sich für den Überschwang der Emotionen.

+++ Linke haben ein neues Führungsduo gefunden +++

+++ Kipping und Riexinger müssen Linke einen +++

Den vergifteten Ton hatten die beiden grauen Eminenzen der Partei, Fraktionschef Gregor Gysi und Ex-Parteichef Oskar Lafontaine, vorgegeben. Gysi prangerte Hass in der Bundestagsfraktion an und empfahl die Trennung, sollten die Streitereien nicht beendet werden können. Sichtlich erzürnt widersprach Lafontaine: "Es gibt keinen Grund, das Wort Spaltung in den Mund zu nehmen." Mit hochroten Köpfen hämmerten beide Männer in aufeinanderfolgenden Reden den Delegierten ihre Sicht der Dinge ein.

Gysi stellte sich hinter den Lafontaine-Gegner Bartsch und geißelte die Kritik der Fundamentalsozialisten an Bündnissen mit der SPD: "Viele Wähler wollen, dass wir etwas gestalten. Dazu muss man auch mit anderen zusammenarbeiten." Manche Kritik von Mitgliedern aus den alten Bundesländern erinnere ihn an die westliche Arroganz bei der deutschen Wiedervereinigung.

+++ Linkspartei nach Vorstandswahl vor Scherbenhaufen +++

Lafontaine wies den Vorwurf zurück, die Fundamentalisten verfolgten einen strikten Oppositionskurs. In Hessen und Nordrhein-Westfalen habe die Linke der SPD eine Zusammenarbeit angeboten. Dies habe die SPD aber abgelehnt. "Warum dieses dumme Gerede von Regierungsunwilligkeit. Das ist doch nicht mehr nachzuvollziehen", sagte Lafontaine. In Abwandlung eines Tucholsky-Bonmots verglich er die Sozialdemokratie mit einem angeketteten, kläffenden Hund.

Kipping und Riexinger gelobten, sich dafür einzusetzen, die Partei zur inneren Einheit zu führen. Kipping erklärte, der Ost-West-Gegensatz in der Partei sei überholt. Allerdings wurde auch auf dem Parteitag offensichtlich, dass sich fünf Jahre nach der Vereinigung von PDS und WASG zur Linkspartei die Reformer mehrheitlich in den ostdeutschen Landesverbänden finden, die Fundamentalsozialisten im Westen.

Die Hamburger Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Dora Heyenn, ist bei der Vorsitzendenwahl unterlegen. Allerdings ist der Hamburger Bundestagsabgeordnete Jan van Aken zu einem von vier Vizevorsitzenden der Partei gewählt worden.