Die Partei diskutiert, wer die Nummer zwei nach Angela Merkel sein soll. Konservative vermissen eine Galionsfigur.

Berlin. Wer soll, wer kann ihn überhaupt ersetzen? Darüber wird in der CDU intensiv diskutiert, seit Hessens Ministerpräsident Roland Koch am Dienstag überraschend seinen Rückzug aus der Politik angekündigt hat. Es geht nämlich nicht nur um die Nachfolge in der Wiesbadener Staatskanzlei und um die vakant werdende Stelle eines stellvertretenden Parteivorsitzenden, sondern auch um die Frage, wer Kochs Rolle als konservativer Konterpart der eher liberalen Kanzlerin übernehmen soll.

Für den stellvertretenden Bundesvorsitz ist Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich im Gespräch. Der 51-Jährige ist Regierungschef einer schwarz-gelben Koalition. Sein Wort hat im Adenauer-Haus zwar Gewicht, aber Tillich hat niemals als Verfechter konfrontativer Positionen auf sich aufmerksam gemacht. Er scheint weit entfernt von Kochs Streitlust für die Kernanliegen jener Konservativen, die sich auf Merkels Modernisierungskurs nicht mitgenommen fühlen. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer hat sich trotzdem schon mal für den Kollegen starkgemacht. Er werde gerne helfen, wenn es darum gehen sollte, für Tillichs Wahl in den Bundesvorstand Mehrheiten zu organisieren, sagte Böhmer der "Thüringer Allgemeinen".

Doch so viel Aufwand wird wahrscheinlich gar nicht nötig sein. Denn der zweite mögliche Koch-Nachfolger an der CDU-Spitze, der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus, hat bereits erklärt, dass er eine eigene Kandidatur nicht in Erwägung zieht. Mappus, der schon als Hoffnungsträger der verlorenen Konservativen in der Partei gehandelt wurde, hat sich im Atom-Streit mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen gerade erst im Ton vergriffen, als er im Affekt den Rücktritt des Parteifreundes forderte, was im Adenauer-Haus Fassungslosigkeit auslöste. Zudem ist Mappus das Amt des Regierungschefs durch den Weggang Günther Oettingers im Februar gewissermaßen zugefallen. Der 44-Jährige muss im März 2011 erst noch den Beweis antreten, dass er selbst eine Landtagswahl gewinnen kann. Und überhaupt scheint Mappus in diesen Tage Wert darauf zu legen, die Parteivorsitzende Angela Merkel nicht noch weiter gegen sich aufzubringen.

Unterdessen trauerte Brandenburgs früherer Innenminister Jörg Schönbohm, einst selbst eine Galionsfigur der Konservativen, Koch bereits hinterher. Schönbohm kritisierte Merkel wegen ihres Umgangs mit Koch: "Wie auf Kochs Vorschlag reagiert worden ist, auch über Sparmöglichkeiten bei der Bildungspolitik nachzudenken, fand ich unglaublich", sagte Schönbohm dem "Tagesspiegel". Auf Kochs Vorschlag sei nur "allgemeines Gerede" gefolgt. Schönbohm rief seine Partei auf, ihr konservatives Profil zu schärfen. Für die CDU sei das bevorstehende Ausscheiden Roland Kochs nach dem Abgang des früheren Fraktionschefs Friedrich Merz der "zweite herbe Verlust", den man "nicht ohne Weiteres" ersetzen könne.

Nach Kochs Abgang scheint nur noch ein Kronprinz übrig zu bleiben, der Merkel im Fall des Falles ersetzen könnte: Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff. Der 50-Jährige hat zwar ebenfalls kein ausgesprochen konservatives Profil, kann diese frustrierte Wählerschaft aber immerhin erreichen. Zurzeit scheint Wulff konkurrenzlos: Koch geht, Jürgen Rüttgers ist nach der NRW-Wahl schwer angeschlagen, und Saarlands Ministerpräsident Peter Müller hat politisch nur deshalb überleben können, weil es ihm nach der letzten Landtagswahl Ende 2009 gelungen ist, Grüne und FDP an die geschwächte Saarbrücker CDU anzukoppeln.

Einer aus der neuen Generation ist noch nicht so weit, auch wenn ihm nachgesagt wird, dass er sich bereits in Stellung bringen möchte: Norbert Röttgen. Den Konservativen gilt der smarte 44-Jährige, der sich als Wegbereiter eines ersten schwarz-grünen Regierungsbündnisses auf Bundesebene inszeniert, allerdings als suspekt. Kein Wunder, dass sich Philipp Mißfelder, CDU-Präsidiumsmitglied und JU-Bundesvorsitzender, der solchen Zukunftsideen grundsätzlich misstrauisch gegenübersteht, gestern eine rasche Klärung forderte, "ob und wer überhaupt die bisherige Rolle von Koch übernehmen kann und soll". Mißfelder klagte in der "Leipziger Volkszeitung", mit Koch sei "ausgerechnet in einer ganz schwierigen Situation für unser Land und für die CDU bedauerlicherweise ein Eckpfeiler im Präsidium der Union weggebrochen".

Angesichts der Lage konnte es nur ein schwacher Trost sein, dass der Vorsitzende der hessischen CDU-Abgeordneten im Bundestag, Michael Meister, gestern versprach, sein Landesverband werde weiter mit wertkonservativen Positionen "erkennbar bleiben".

Die Union verharrt derweil in ihrem Umfragetief. CDU und CSU liegen weiterhin bei 32 Prozent, ihrem schlechtesten Wert in diesem Jahr, wie das Forsa-Institut im Auftrag von "Stern" und RTL ermittelte. Die SPD erreicht demnach 26 Prozent, einen Punkt weniger als in der Vorwoche. Für die Grünen ergeben sich wie in der Vorwoche 16 Prozent. Die Linke hat sich um einen Punkt auf 12 Prozent verbessert. Der FDP-Wert kletterte im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt von sechs auf sieben Prozent.