Er hat „auf Bundeskanzler studiert“, wie Freunde einmal sagten. Doch Roland Koch war bereits seit einiger Zeit angeschlagen.

Wiesbaden/Hamburg. Kaum schossen die Spekulationen um seinen Wechsel für den kranken Wolfgang Schäuble ins Finanzministerium Berlin ins Kraut, da räumte Roland Koch (CDU) mal wieder auf. Der 52-Jährige legt alle Ämter nieder und wechselt nach einer „Atempause“ in die Wirtschaft.

Der hessische Ministerpräsident, CDU-Topmann und umstrittene Konservative zieht sich aus der Politik zurück. Nach Günther Oettinger (zur EU-Kommission), Dieter Althaus (zum Autozulieferer Magna) und vor längerer Zeit bereits Günther Beckstein (2008 Rückzug als bayerischer Ministerpräsident) ist Koch der nächste prominente Landeschef der Union der sein Amt räumt. Dabei war Koch ein Frühstarter mit immerwährendem Drang nach oben. Mit 14 Jahren Chef einer Ortsgruppe der Jungen Union in seinem Heimatort Eschborn, mit 21 Vorsitzender der CDU im Main-Taunus-Kreis, mit 29 Landtagsabgeordneter, mit 32 Fraktionschef, mit 39 CDU-Landesvorsitzender in Hessen und schließlich mit 40 Ministerpräsident.

Der Senkrechstarter war mehr als einmal totgesagt worden. Etwa als ihm im Zusammenhang mit der Parteispendenaffäre um den damaligen CDU-Landesvorsitzenden Manfred Kanther vom Jahr 2000 Lüge vorgeworfen wurde. Er hat selbst falsche Angaben eingeräumt. Oder nachdem er die Landtagswahl 2008 bei CDU-Verlusten von rund zwölf Prozent mit Pauken und Trompeten verlor, sodass sich SPD-Rivalin Andrea Ypsilanti schon anschickte, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Hilfe der Linken zu bilden.

Doch wie ein politisches Stehaufmännchen überstand Koch alle Krisen, um am Ende meist gestärkt hervorzugehen. Nach der Parteispendenaffäre trat zwar sein enger Vertrauter Franz Josef Jung als Chef der Staatskanzlei zurück, der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende selbst aber profilierte sich noch als „brutalstmöglicher Aufklärer“.

Und Ypsilanti scheiterte mit ihren Ambitionen auf die Koch-Nachfolge an vier Abweichlern aus der eigenen SPD-Landtagsfraktion. In der Folge kam es zur Neuwahl, die Kochs Regierung mit der FDP eine Mehrheit für weitere fünf Jahre sicherte.

Bei genauerem Hinsehen war der Triumph bei der Landtagswahl im Januar 2009 aber für Koch persönlich doch schon mit gewissen Blessuren verbunden. Der Sieg ging in erster Linie auf das Konto des Koalitionspartners FDP, der sich von 9,4 auf 16,2 Prozent verbesserte, während Kochs CDU trotz der Steilvorlage des politischen Gegners bei 37,2 Prozent und somit einen nur minimalen Zuwachs von einem halben Prozentpunkt stagnierte. Doch dem Einfluss des politischen Schwergewichts auf die Landes- und auch die Bundespolitik tat dies keinen Abbruch.

Immer wieder wurde Koch für höhere Ämter gehandelt, erst als EU-Kommissar und dann als Nachfolger des angeschlagenen Bundesfinanzministers Wolfgang Schäuble. Seine innerparteilich starke Position erlaubte es Koch zuletzt, mit dem selbst in den Reihen der eigenen Partei höchst umstrittenen Vorschlag von Einsparungen bei Bildung und Kinderbetreuung in die Öffentlichkeit zu treten. Die Debatte hatte er im Hamburger Abendblatt angestoßen.

Das politische Zuspitzen war schon lange eines der auffälligsten Markenzeichen Kochs. Schon seinen ersten Wahlsieg in Hessen errang er mit einer Kampagne und Unterschriftensammlung gegen die doppelte Staatsbürgerschaft.

Am 24. März 1958 in Frankfurt am Main geboren, stammt Koch aus einem politischen Elternhaus. Sein inzwischen verstorbener Vater Karl-Heinz war von 1987 bis 1991 unter Ministerpräsident Walter Wallmann hessischer Justizminister. Sohn Roland war vor seinem vollständigen Wechsel in die Politik Anfang der neunziger Jahre als Rechtsanwalt tätig, er studierte in Frankfurt Jura.

Mit Blick auf seine politische Karriere schon in der Jungen Union und als fast noch jugendlicher CDU-Politiker wurde in Wiesbaden bisweilen gespottet, Koch habe quasi von Kindesbeinen an „auf Bundeskanzler studiert“. Allerdings hat er eine Rivalität mit der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel stets bestritten und hat ihr auch in kritischen Situationen geholfen. In der Bundespolitik hat sich der 2006 zu einem der Stellvertreter Merkels im CDU-Vorsitz aufgerückte Koch vor allem in der Wirtschaftspolitik einen Namen gemacht.

Gemeinsam mit dem damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) handelte er eine Reform der Unternehmensbesteuerung und der Erbschaftssteuer aus. Und schon früher hatten die beiden zusammen eine dann auch erfolgreich umgesetzte Liste zum Subventionsabbau ausgehandelt.

Auch in der Debatte über die Zukunft des angeschlagenen Autobauers Opel hat sich Koch als Krisenmanager profiliert, wenngleich sein Einsatz für einen Verkauf des Rüsselsheimer Unternehmens an den österreichisch-kanadischen Magna-Konzern nicht zum Tragen kam.

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