Der designierte Parteichef der Linken, Klaus Ernst, stellt den Sozialdemokraten Bedingungen für eine Koalition in Nordrhein-Westfalen.

Hamburg. Die Linkspartei könnte in Nordrhein-Westfalen (NRW) mitregieren. Doch noch zieren sich SPD und Grüne, die Parlamentsneulinge zu fragen. Klaus Ernst fordert die Sozialdemokraten auf, sich zu bewegen.

Hamburger Abendblatt: Herr Ernst, die Linkspartei hat noch nie in einem West-Bundesland regiert. Wann ändert sich das?

Klaus Ernst: Das ändert sich, sobald die anderen Parteien merken, dass man uns nicht ausgrenzen kann. Je länger man uns ausgrenzen will, desto stärker werden wir. Die Linke könnte längst in einem West-Bundesland regieren, wenn nicht in Hamburg, in Hessen und im Saarland die anderen Parteien gekniffen hätten. Es lag nie an uns, sondern immer an den anderen.

Was macht Sie so sicher, dass die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen regierungsfähig ist?

Wenn man sich die Koalitionsparteien in Berlin anschaut, dann hat man doch eher bei denen den Eindruck, dass die nicht regierungsfähig sind. Warum also sollen wir nicht regierungsfähig sein?

Ein Problem liegt sicher bei Ihrem Wahlprogramm in NRW.

Was haben Sie denn für ein Problem mit unserem Wahlprogramm?

Sie wollen zum Beispiel die Energiekonzerne verstaatlichen.

Etliche Energieversorger sind früher in kommunaler Trägerschaft gewesen. Und wir sehen, wie die Energieversorger zurzeit die Bevölkerung abzocken. Es wäre nur vernünftig, diese Abzocke endlich zu beenden. Das geht nur über öffentliches Eigentum.

Sie fordern auch die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Das klingt in Zeiten einer Rekordverschuldung wie reine Sozialromantik.

Entschuldigen Sie mal. Ein großer Teil der Bevölkerung leidet unter einer Arbeitszeitverkürzung auf null Stunden. Andere sind auf Kurzarbeit gesetzt. Es wird Zeit, dass die Arbeit auf mehrere Schultern verteilt wird. Wir brauchen dringend eine Arbeitszeitverkürzung und wollen die Gewerkschaften dabei unterstützen. Übrigens hat die 35-Stunden-Woche das Land in den 80er-Jahren auch nicht in den Ruin getrieben, im Gegenteil.

Stellen Sie sich vor, wir wären die SPD in NRW: Mit welchen Worten wollen Sie uns von sich überzeugen?

Umgekehrt wird ein Schuh draus. Die SPD muss sich zuerst entscheiden, mit wem sie regieren will. Sie ist die stärkere Partei, bei ihr liegt die Initiative. Die Frage muss also lauten: Wie will uns die SPD überzeugen?

Welche Bedingungen muss denn die SPD erfüllen, damit Sie mit ihr regieren?

Die Grundbedingung lautet: kein weiterer Sozialabbau und keine weiteren Privatisierungen. Die weiteren Bedingungen sind: ein vernünftiges Bildungssystem zu organisieren und ein Gesetz zu garantieren, dass öffentliche Ausschreibungen zu entsprechenden Lohnbedingungen stattfinden. Wir haben aber Hessen nicht vergessen. Bevor es zu ernsthaften Verhandlungen kommt, muss Frau Kraft uns eine belastbare Garantie dafür abgeben, dass es nicht wieder zu hessischen Verhältnissen kommt. Sie muss beweisen, dass ihre Fraktion hinter ihr steht.

Die FDP zeigt sich inzwischen gesprächsbereit für eine Ampel. Das könnte Sie noch ausbremsen.

Die FDP betreibt eine unverantwortliche Politik. Sie winkt in diesen Wochen, in denen wir mit Milliarden den Euro und Griechenland retten, noch immer mit Steuersenkungen. Die FDP wird zu einer extremistischen Partei. Die SPD muss selbst wissen, ob sie mit so einer Partei arbeiten kann.

Am Wochenende trifft sich die Linke zum Parteitag. Wie vereint reist die Partei nach Rostock?

Wir sind eine Partei mit unterschiedlichen Erfahrungen aus Ost und West. Diese Sichtweisen zusammenzuführen ist die Aufgabe, der sich die Partei weiter stellen muss. Ich verstehe das auch als meine Aufgabe.

Gibt es überhaupt Ost-West-Kontakte außerhalb der Parteitage?

Natürlich, aber das muss ausgebaut werden. Wir wollen, dass sich Kreisverbände aus Ost und West gemeinsam mit bestimmten Sachfragen beschäftigen und bei unterschiedlichen Meinungen lernen, einander zu verstehen. Es ist Unfug, wenn manche Leute behaupten, im Westen seien die bösen Linken und im Osten die Guten.

Woran krankt die Partei noch?

Unsere Partei krankt nicht. Sie wird ja immer stärker. Aber sie hat sich die schwierige Aufgabe gesetzt, als einzige deutsche Partei eine Fusion auf Augenhöhe zwischen Ost und West zu vollziehen. Die anderen Parteien haben den Osten einfach geschluckt. Das wollen wir nicht. Der Osten darf nicht den Westen dominieren, der Westen nicht den Osten. Das macht die Sache komplizierter.

Am Sonnabend wollen Sie sich zum Parteichef wählen lassen. Besonders an Ihrer Nominierung gab es intern Kritik. Können Sie die nachvollziehen?

Es gab Kritik von einzelnen Personen, die dafür ein besonderes Sprachrohr durch die Presse erhielten. Ich erfahre ansonsten große Zustimmung zu dem Personalkonzept der Partei. Das können Sie auch an der großen Zustimmung in der Mitgliederbefragung ablesen. Dass der eine oder andere in der Partei nicht mit den Nominierungen zufrieden ist, halte ich für einen ganz normalen, demokratischen Prozess.

Sie gelten als ziemlicher Macho. Hilft so ein Ruf, wenn man Parteichef werden will?

Diesen Ruf heften mir die Medien an. In der Parteipraxis stoße ich nicht auf derartige Vorbehalte.

Was werden Sie anders machen als Ihre Vorgänger?

Gesine Lötzsch und ich werden an dem erfolgreichen Kurs unserer Vorgänger Oskar Lafontaine und Lothar Bisky festhalten. Wir bleiben bei unseren Grundpositionen. Die Hartz-Gesetze müssen abgeschafft werden, das Renteneintrittsalter muss bei 65 Jahren liegen, wir wollen den Privatisierungswahn beenden, wir brauchen den flächendeckenden Mindestlohn, und wir wollen unsere jungen Soldaten aus Afghanistan zurückholen.

Was soll aus Oskar Lafontaine werden, der bislang wichtigsten Identifikationsfigur?

Oskar Lafontaine bleibt nach wie vor Fraktionsvorsitzender im saarländischen Landtag. Er hat mir zugesagt, dass er sich weiter einmischen wird. Und ich persönlich zähle auf den Rat Oskar Lafontaines.

Kann er Ehrenvorsitzender werden?

Darüber möchte ich nicht spekulieren. Dieses Amt gibt es im Übrigen bei uns derzeit gar nicht.

Rüttgers will nach Ablauf der Legislaturperiode am 22. Juni geschäftsführend im Amt bleiben, falls bis dahin keine neuen Regierung gebildet wird. CDU-Vizeparteichef Roland Koch hält eine große Koalition unter SPD-Führung in Nordrhein-Westfalen für ausgeschlossen. „Eine große Koalition wird es nur unter unserer Führung geben“, sagte gegenüber dem Hamburger Abendblatt.

+++ Lesen Sie hier das gesamte Exklusiv-Interview mit Roland Koch (CDU) +++