Nach dem Rückzug von Lafontaine müssen sich die Linken neu zusammenfinden. Ein Porschefahrer soll ihnen dabei helfen.

Berlin. Die Voraussetzungen für den Parteitag der Linken könnten kaum besser sein. Die neue Führungsstruktur mit einer gemischten Doppelspitze und einem Geschäftsführer-Duo wurde in einem Mitgliederentscheid mit der überraschend großen Mehrheit von 84,5 Prozent bestätigt. Bei der Schlüsselwahl in Nordrhein-Westfalen schaffte die Partei den Einzug in den Landtag und ist damit auch in Westdeutschland fest etabliert.

Befürchtungen, die Konferenz in Rostock könnte nach den Machtkämpfen und Intrigen des vergangenen Herbstes und Winters im Chaos versinken, sind längst verflogen. Die Chancen, dass der Start in eine neue Ära nach dem Abgang der Gründungsväter Oskar Lafontaine und Lothar Bisky glatt über die Bühne geht, stehen ziemlich gut.

„Ich bin relativ optimistisch und hoffe, dass wir das vernünftig hinbekommen“, sagt Gregor Gysi. Der Fraktionschef im Bundestag gilt als Architekt der neuen Führungsstruktur. Als Lafontaine nach einer Krebsoperation aus gesundheitlichen Gründen den Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt hatte, organisierte Gysi eine Kompromiss- Lösung für die Nachfolge: Die Ost-Berliner Haushaltsexpertin Gesine Lötzsch und der bayerische Gewerkschafter Klaus Ernst sollen die neue Linke anführen und vor allem zusammenführen, denn drei Jahre nach der Fusion der westdeutschen WASG und der ostdeutschen Linkspartei PDS sind die politischen, strategischen und kulturellen Differenzen zwischen den Ost- und West-Verbänden immer noch frappierend.

Der Personalvorschlag ist bis heute umstritten. Zwar kann Lötzsch in Rostock mit relativ starkem Rückhalt der Parteibasis rechnen, für Ernst dürfte es aber deutlich knapper werden. Der 55-jährige Porsche- Fahrer ist vor allem unter seinen ostdeutschen Parteifreunden, aber auch im eigenen Landesverband umstritten. Bei der letzten Vorstandswahl hatte er als stellvertretender Parteivorsitzender nur 59,2 Prozent der Stimmen erhalten – satte 20 Prozent weniger als zwei Jahre zuvor.

„Ich bin nicht sehr aufgeregt vor dieser Wahl“, sagt Ernst. Eine Zielmarke nennt er aber sicherheitshalber nicht. Gysi hat die Latte für seinen Kandidaten bereits auf das niedrigste Niveau gesetzt. „Auch eine Stimme Mehrheit ist eine Mehrheit“, sagt er. „Aber ich denke, es wird gar nicht so schlecht werden.“

Ein möglichst großer Vertrauensvorschuss ist für Ernst und Lötzsch immens wichtig, denn es liegen schwierige Monate vor ihnen. Lafontaine und Gysi hinterlassen ihnen eine erfolgsverwöhnte Partei: Die Linke ist inzwischen in 13 von 16 Landesparlamenten vertreten, im Bundestag ist sie die zweitstärkste Oppositionspartei noch vor den Grünen und kann sich über steigende Mitgliederzahlen freuen.

Wie in der Wirtschaft zeigt aber auch in der Parteipolitik nach jedem Aufschwung die Kurve irgendwann wieder nach unten – die Frage ist nur wann. Eine erste Nagelprobe werden die Landtagswahlen im März nächsten Jahres sein – dann geht es um den Einzug in die Landtage von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, kurz zuvor in Sachsen-Anhalt möglicherweise um eine Regierungsbeteiligung. Gleichzeitig steht den Parteichefs eine schwierige Debatte über das neue Grundsatzprogramm vor, das noch unter Federführung ihrer Vorgänger erarbeitet wurde. Ende 2011 sollen die Mitglieder darüber abstimmen.

Wie sich das neue Machtgefüge innerhalb der Partei austarieren wird, ist noch offen. Lötzsch und Ernst stehen zwei Geschäftsführer sowie insgesamt fünf Stellvertreter und „Parteibildungsbeauftragte“ für den Fusionsprozess zur Seite. Darunter sind profilierte Persönlichkeiten wie Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform und die Sozialpolitikerin Katja Kipping, die alle ein Interesse daran haben werden, das Machtvakuum nach dem Abgang Lafontaines und Biskys ein Stück weit zu füllen. Über den Grundsatz „Keiner macht den Oskar“ ist sich die designierte Führungsriege allerdings einig.

Problematisch könnte werden, dass die Parteispitze bis auf einen Stellvertreter aus Bundestagsabgeordneten besteht. Und im Parlament hat mit Gysi einer das Sagen, der bereits als heimlicher Parteichef gehandelt wird. Den Verdacht, er wolle die Geschicke der Partei aus dem Bundestag dirigieren, weist der Fraktionschef allerdings weit von sich. „Da ich ja will, dass die neue Führung stark wird, da ich ja will, dass sie ihre Rolle als Parteivorsitzende wirklich spielen können, bin ich ja kein Konkurrent für sie.“

Dann gibt es da aber noch jemanden, der seine bundespolitische Karriere nur formell beendet: Lafontaine wird nicht müde zu betonen, dass er weiter mitreden will, wenn es um die großen Themen geht. Allerdings hat er auch klargestellt: „Einen Sitzplatz in der ersten Reihe strebe ich nicht mehr an.“