Bei den schweren Zusammenstößen in der ägyptischen Hauptstadt sind zehn Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 440 wurden verletzt.

Kairo. Auch in der Nacht auf Sonntag haben sich die gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Soldaten in Kairo fortgesetzt. Am Sonnabendabend konzentrierten sie sich um eine Betonmauer, die das Militär errichtet hatte, um die Straße vom Tahrir-Platz zum Parlament zu blockieren.

In der ägyptischen Haupstadt Kairo ist es zu schweren Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Dabei haben Soldaten mit Schlagstöcken am Sonnabend den Tahrir-Platz im Zentrum Kairos gestürmt. Sie Schlugen auf die Menschen ein und setzten Zelte in Brand. Seit Freitag kamen damit zehn Menschen ums Leben, mehr als 440 Personen wurden verletzt. Zuvor hatten Demonstranten bei den Protesten gegen die Militärregierung mit Steinen geworfen und Sicherheitskräfte angegriffen. Unter den Toten war auch der hohe Geistliche Emad Effat. Seine Ehefrau sagte, er sei erschossen worden. Die französische Regierung sprach von einem "exzessiven Gewalteinsatz“ gegen die Demonstranten. Es sind die schwersten Zusammenstöße seit dem Ausbruch des Volksaufstandes, der im Februar zum Sturz von Präsident Husni Mubarak führte.

+++ Krawalle in Kairo dauern an - Opferzahl steigt stetig +++

Viele Demonstranten flohen am Sonnabend vor den Soldaten in Seitenstraßen des Platzes. Die Sicherheitskräfte schlugen auch weiter auf Menschen ein, die bereits am Boden lagen. Warnschüsse waren zu hören. Auf Aufnahmen von Reuters-TV war zu sehen, wie ein Soldat eine Pistole zog und in die Menge schoss. Bei einem Brand in einem angrenzenden Gebäude wurde ein Archiv zerstört. In den Gebäude befanden sich 200 Jahre alte Dokumente. Ein Militärvertreter sagte der staatlichen Nachrichtenagentur Mena, das Feuer sei durch Brandsätze ausgelöst worden. Die Sicherheitskräfte seien dann gegen Verbrecher vorgegangen, nicht gegen Demonstranten. Nach Regierungsangaben wurden 30 Wachen vor dem Parlament verletzt. Fernsehbilder zeigten zudem, wie sie Frauen an den Haaren über den Asphalt schleiften und Demonstranten gegen die Köpfe traten, bis diese bewegungslos am Boden lagen.

Am Vorabend hatten Demonstranten Brandsätze und Steine geworfen, die Soldaten setzten Schlagstöcke und Elektroschocker ein. Über dem Parlament und die Regierungsgebäude in der Innenstadt lagen dichte Rauchwolken.

Über den Auslöser der Gewalt gab es widersprüchliche Angaben. Der von der Armee eingesetzte Ministerpräsident Kamal al-Gansuri machte Jugendliche unter den Demonstranten verantwortlich. „Auf der Straße findet keine Revolution statt, sondern ein Angriff auf die Revolution“, sagte er. In staatlichen Medien hieß es, ein junger Mann sei auf das Gelände des Parlaments gegangen, um einen Fußball zurückzuholen. Dort sei er von der Polizei und Wachleuten geschlagen worden. Anderen Darstellungen zufolge wollte der Mann dagegen sein Lager dort aufschlagen und löste dadurch Handgemenge mit den Sicherheitskräften aus.

In Ägypten finden derzeit die ersten freien Parlamentswahlen statt, die den Übergang zu einer Zivilregierung ebnen sollen. Die Abstimmung in mehreren Runden soll im Januar abgeschlossen werden. Für Juni sind Präsidentschaftswahlen geplant. Seit dem Sturz Mubaraks regiert ein Militärrat.

Von Yasmine Saleh