Brüssel/Athen. Euro-Finanzminister geben grünes Licht für Reformpaket. Zustimmung des Bundestages kommende Woche erwartet.

Die Euro-Finanzminister haben den Weg für das dritte Griechenland-Hilfspaket geebnet. Nach dem Parlament in Athen stimmte am Freitag auch die Eurogruppe für die Vereinbarung, mit der Griechenland im Gegenzug für zahlreiche Reformen bis zu 86 Milliarden Euro an Finanzmitteln erhalten soll. Die Freigabe der Gelder ist noch abhängig von der Zustimmung des Bundestages kommende Woche. Auch andere Parlamente in der Euro-Zone müssen den Deal noch abnicken.

"Es scheint so, als ob die griechische Regierung tatsächlich versucht, das Land auf einen neuen wirtschaftlichen Weg zu bringen", sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. "Deshalb sind wir uns in der Eurogruppe einig, dass wir diese Chance ergreifen wollen." Dies nicht zu tun wäre unverantwortlich. In der Vergangenheit hatte Schäuble auch die Idee eines zeitweisen Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone ins Spiel gebracht, wenn die Regierung in Athen einer solchen Maßnahme zustimme. Schäuble zufolge ist noch nicht klar, ob der Bundestag am Dienstag oder Mittwoch abstimmen wird.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem machte deutlich, dass die weitere Beteiligung des Internationale Währungsfonds (IWF) an einem Hilfsprogramm von grundlegender Bedeutung für die Eurogruppe sei. Allerdings sei die Mitwirkung für den IWF von der Umsetzung von Reformen, insbesondere eine des griechischen Rentensystems, abhängig. Der IWF müsse zudem von der Tragfähigkeit der griechischen Schulden überzeugt sein.

Zwar habe IWF-Chefin Christine Lagarde die Beteiligung des Fonds bei den Beratungen der Eurogruppe deshalb nicht versprechen können, sagte Dijsselbloem. Er äußerte sich aber ebenso wie Schäuble optimistisch, dass der IWF nach der Programmüberprüfung im Oktober an Bord geholt werden könne. Die Schuldentragfähigkeit könne durch ein umfangreiches Programm wie das jetzt vorliegende erreicht werden. Wie die Bundesregierung betonte Dijsselbloem, dass ein nominaler Schuldenschnitt ausgeschlossen werde.

Nach Ansicht des Chefs des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, dürften die angesetzten 86 Milliarden Euro für Griechenland nicht voll vom ESM bereitgestellt werden müssen, da voraussichtlich auch der IWF Geld hinzuschießen werde. Zudem könne Griechenland durch Privatisierungen und die Rückkehr an die Finanzmärkte Geld beisteuern.

DIE ERSTEN MILLIARDEN SOLLEN KOMMENDE WOCHE FLIESSEN

"Das Programm ermöglich Griechenland die Rückkehr zu Wirtschaftswachstum", sagte Dijsselbloem. Die Arbeit mit der griechischen Regierung an der Vereinbarung in den vergangenen Wochen habe dazu beigetragen, Vertrauen wieder aufzubauen, erklärte der niederländische Finanzminister. Die Zusammenarbeit mit der griechischen Regierung sei zuletzt exzellent gewesen.

Eine erste Hilfstranche an Griechenland solle bis zum 19. August freigegeben werden. Am 20. August muss die Regierung in Athen 3,4 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank überweisen. Die erste Tranche werde 26 Milliarden Euro betragen, von denen 13 Milliarden kommende Woche überwiesen würden, erläuterte Regling. Drei Milliarden würden im September und Oktober gezahlt. Zur Rekapitalisierung griechischer Banken sollten zudem zehn Milliarden Euro auf einem ESM-Konto vorgehalten werden. Dijsselbloem sagte, bei der Rekapitalisierung griechischer Banken in diesem Jahr würden keine Guthaben griechischer Bankkunden herangezogen.

Nach Ansicht von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bedeutet die Entscheidung der Eurogruppe, dass Griechenland "unabänderlich" Mitglied der Euro-Zone bleiben wird.

TSIPRAS ERWÄGT DIE VERTRAUENSFRAGE

Mit dem dritten Hilfspaket kommen neue Einschnitte auf das rezessionsgeplagte Land zu, in dem ein Viertel der Menschen ohne Arbeit sind. Vorgesehen sind unter anderem weitere Reformen des Renten- und des Gesundheitssystems, Steuererhöhungen, die Öffnung abgeschotteter Berufsgruppen und der Verkauf von Staatsbesitz. Mit den neuen Krediten steigt der Schuldenberg des Landes 2016 auf über 200 Prozent seiner Wirtschaftskraft (BIP).

Am Freitagmorgen hatte die Mehrheit des griechischen Parlaments für das drei Jahre laufende Hilfspaket mit den Euro-Partnern gestimmt. Dabei musste sich der linke Regierungschef Alexis Tsipras allerdings erneut auf die bürgerliche Opposition stützen. Regierungsvertreter sagten, Tsipras erwäge, im Parlament die Vertrauensfrage zu stellen, wenn das Paket mit den Geldgebern unter Dach und Fach sei. Die Folge könnten Neuwahlen und ein Auseinanderbrechen der Syriza sein.

Chronologie der Griechenland-Krise

März 2010

Das Parlament in Athen verabschiedet ein erstes massives Sparprogramm, das unter anderem Steuererhöhungen sowie das Einfrierender Renten vorsieht. Massenproteste folgen. Die Eurostaaten sagen ein erstes Hilfspaket unter Beteiligung des Internationalen Währungsfonds(IWF) zu.

April/Mai 2010

Griechenland beantragt offiziell ein Hilfsprogramm. Die Eurogruppe beschließt Notkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro und verlangt im Gegenzug einen harten Sparkurs.

Oktober 2011

Ein zweites Rettungspaket wird beschlossen:Griechenlands private Gläubiger sollen freiwillig einem Schuldenschnitt von 50 Prozent zustimmen. Zudem soll es Kredithilfen von 100 Milliarden Euro geben und Garantien von 30 Milliarden Euro, mit denen der Schuldenschnitt begleitet wird.

Februar/März 2012

Das griechische Parlament stimmt einem weiteren Sparpaket zu, das auf Druck der internationalen Geldgeber mehrfach verschärft wird.

November 2012

Athen billigt abermals ein Sparpaket als Voraussetzung für weitere Hilfen. Ein drittes Rettungspaket ist im Gespräch. Die Eurogruppe signalisiert, dass weitere Hilfen möglich sind - aber erst, wenn das laufende Hilfsprogramm erfolgreich beendet wird.

Juli 2013

Und wieder muss Athen neuen Sparmaßnahmen zustimmen. Siesehen unter anderem die Entlassung von 15 000 Staatsbediensteten vor. Bei weiteren 25 000 Beamten werden die Einkommen gekürzt.

Januar 2015

Die Linkspartei Syriza unter Alexis Tsipras gewinnt die Parlamentswahl. Seine Popularität verdankt er der Ablehnung desvereinbarten Sparkurses.

Februar 2015

Die Euro-Finanzminister verlängern das - bereits einmal verlängerte - Hilfsprogramm von Ende Februar bis Ende Juni 2015.

März 2015

Athen legt eine Liste mit Reformen vor, die pro Jahr drei Milliarden Euro einbringen sollen. Es geht vor allem um den Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die internationalen Geldgeber halten die Liste für unzureichend und verlangen Nachbesserungen.

Mai 2015

Das Tauziehen um Reformen geht weiter. Die Finanznot in Athen wird immer größer. Die Regierung sucht nach Geld, um Kreditschulden beim Internationalen Währungsfonds bezahlen zu können.

Juni 2015

Der IWF erlaubt Griechenland, insgesamt vier im Juni fällige Kredite erst Ende des Monats zurückzuzahlen. Athen legt neue Reformvorschläge vor, Krisentreffen auf Spitzenebene bleiben aber ergebnislos. Tsipras schlägt überraschend vor, das griechische Volk über die Sparvorschläge der Geldgeber abstimmen zu lassen und wirbt für ein negatives Votum. Die Eurogruppe erklärt die Verhandlungen für gescheitert, das Hilfsprogramm wird nicht verlängert.

13. Juli 2015

Der Grexit ist vorerst abgewendet. Beim Euro-Gipfel in Brüssel einigen sich die Regierungschefs mit Griechen-Premier Alexis Tsipras auf ein Reform- und Sparprogramm. Der Finanzbedarf der Griechen wird auf 82 bis 86 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren taxiert. Die Parlamente in den Euro-Ländern müssen noch zustimmen.

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