Brüssel. Der Poker um neue Milliardenhilfen für Griechenland geht dem Ende entgegen. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten.

Vermutlich am Dienstag kommender Woche wird der Bundestag über neue Hilfsmilliarden für Griechenland abstimmen. Können die Abgeordneten guten Gewissens dafür votieren? Fragen und Antworten zum Verhandlungsstand im Überblick:

Griechenland kann mit weiteren 86 Milliarden Euro an Hilfsgeldern rechnen. Ist das Thema „Pleite“ damit endgültig vom Tisch?

Das ist alles andere als sicher. In einem Gutachten zum neuen Hilfsprogramm äußern EU-Experten „ernste Bedenken“, ob Griechenland die nochmals steigende Schuldenlast wird tragen können. Schon jetzt ist klar, dass dem Land mehr Zeit gegeben werden muss, die Kredite aus den ersten beiden Rettungspaketen zurückzuzahlen. Zum Beispiel durch längere Rückzahlungsfristen. Einen klassischen Schuldenerlass schließt zumindest Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bislang aus.

Wie viel Geld müssten Deutschland und damit die Steuerzahler abschreiben, wenn Griechenland seine Kredite nicht zurückzahlt?

Ein Totalausfall gilt als unwahrscheinlich, theoretisch droht aber ein Verlust in zweistelliger Milliardenhöhe. Über das erste Hilfsprogramm hat Deutschland Griechenland rund 15 Milliarden Euro geliehen, für die Hilfen aus dem zweiten Programm haftet es mit einem Betrag von rund 38 Milliarden Euro. Beim dritten Programm würde der Anteil an der Haftung rund 27 Prozent betragen. Bei einer Programmsumme von 86 Milliarden Euro entspricht das 23,2 Milliarden Euro - wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht mitmacht.

Für die Griechenland-Sondersitzung mussten zahlreiche Minister ihren Sommerurlaub unterbrechen und nach Brüssel fliegen. Hätte nicht eine Telefonkonferenz gereicht - zumal die von Experten ausgehandelten Bedingungen für weitere Hilfen bereits seit Mittwoch vorliegen?

Zwischen einem Strandspaziergang und einer Runde im Pool über Milliarden von Steuerzahlergeldern entscheiden - das wäre wohl bei den Wählern nicht gut angekommen. In Kreisen des Bundesfinanzministeriums wurde betont, die Sitzung sei keineswegs eine reine Show-Veranstaltung. Minister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte, bei dem Treffen für ihn noch offene Fragen zu klären: beispielsweise die Beteiligung des IWF.

Chronologie der Griechenland-Krise

März 2010

Das Parlament in Athen verabschiedet ein erstes massives Sparprogramm, das unter anderem Steuererhöhungen sowie das Einfrierender Renten vorsieht. Massenproteste folgen. Die Eurostaaten sagen ein erstes Hilfspaket unter Beteiligung des Internationalen Währungsfonds(IWF) zu.

April/Mai 2010

Griechenland beantragt offiziell ein Hilfsprogramm. Die Eurogruppe beschließt Notkredite in Höhe von 110 Milliarden Euro und verlangt im Gegenzug einen harten Sparkurs.

Oktober 2011

Ein zweites Rettungspaket wird beschlossen:Griechenlands private Gläubiger sollen freiwillig einem Schuldenschnitt von 50 Prozent zustimmen. Zudem soll es Kredithilfen von 100 Milliarden Euro geben und Garantien von 30 Milliarden Euro, mit denen der Schuldenschnitt begleitet wird.

Februar/März 2012

Das griechische Parlament stimmt einem weiteren Sparpaket zu, das auf Druck der internationalen Geldgeber mehrfach verschärft wird.

November 2012

Athen billigt abermals ein Sparpaket als Voraussetzung für weitere Hilfen. Ein drittes Rettungspaket ist im Gespräch. Die Eurogruppe signalisiert, dass weitere Hilfen möglich sind - aber erst, wenn das laufende Hilfsprogramm erfolgreich beendet wird.

Juli 2013

Und wieder muss Athen neuen Sparmaßnahmen zustimmen. Siesehen unter anderem die Entlassung von 15 000 Staatsbediensteten vor. Bei weiteren 25 000 Beamten werden die Einkommen gekürzt.

Januar 2015

Die Linkspartei Syriza unter Alexis Tsipras gewinnt die Parlamentswahl. Seine Popularität verdankt er der Ablehnung desvereinbarten Sparkurses.

Februar 2015

Die Euro-Finanzminister verlängern das - bereits einmal verlängerte - Hilfsprogramm von Ende Februar bis Ende Juni 2015.

März 2015

Athen legt eine Liste mit Reformen vor, die pro Jahr drei Milliarden Euro einbringen sollen. Es geht vor allem um den Kampf gegen Steuerhinterziehung. Die internationalen Geldgeber halten die Liste für unzureichend und verlangen Nachbesserungen.

Mai 2015

Das Tauziehen um Reformen geht weiter. Die Finanznot in Athen wird immer größer. Die Regierung sucht nach Geld, um Kreditschulden beim Internationalen Währungsfonds bezahlen zu können.

Juni 2015

Der IWF erlaubt Griechenland, insgesamt vier im Juni fällige Kredite erst Ende des Monats zurückzuzahlen. Athen legt neue Reformvorschläge vor, Krisentreffen auf Spitzenebene bleiben aber ergebnislos. Tsipras schlägt überraschend vor, das griechische Volk über die Sparvorschläge der Geldgeber abstimmen zu lassen und wirbt für ein negatives Votum. Die Eurogruppe erklärt die Verhandlungen für gescheitert, das Hilfsprogramm wird nicht verlängert.

13. Juli 2015

Der Grexit ist vorerst abgewendet. Beim Euro-Gipfel in Brüssel einigen sich die Regierungschefs mit Griechen-Premier Alexis Tsipras auf ein Reform- und Sparprogramm. Der Finanzbedarf der Griechen wird auf 82 bis 86 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren taxiert. Die Parlamente in den Euro-Ländern müssen noch zustimmen.

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Auf Griechenlands Politik war in den vergangenen Jahren kaum Verlass. Wie kann da überhaupt noch jemand glauben, dass sich das Land diesmal an die Reform- und Sparauflagen hält?

Einfach gesagt: Deutschland und den anderen Geldgebern bleibt wenig anderes übrig. Alternative zu einem dritten Hilfsprogramm wäre die Staatspleite Griechenlands gewesen - mit kaum abzuschätzenden wirtschaftlichen und politischen Folgen auch für die anderen Euroländer. Die möglichen Risiken wollte bislang kaum jemand tragen. Bundesfinanzminister Schäuble erntete ziemlich viel Kritik dafür, einen zeitweiligen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone ins Spiel gebracht zu haben.

Nach einer Studie hat Deutschland wegen der Griechenland-Krise in den vergangenen Jahren 100 Milliarden Euro gespart, weil es als vertrauenswürdiger Gläubiger für eigene Kredite weniger Zinsen zahlen musste. Stimmt das?

Das ist unklar. Das Bundesfinanzministerium zweifelt die Annahmen der Studie an und bezeichnet die Berechnung als „höchst spekulativ“ und „nicht nachvollziehbar“.

Zuletzt sah es so aus, als wenn es in den Griechenland-Verhandlungen keine einheitliche Position der Bundesregierung gäbe. Während Finanzminister Schäuble Nachbesserungen am Entwurf für das Hilfsprogramm forderte, warb Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) für eine schnelle Verabschiedung. Gibt es Knatsch in der Koalition?

Offiziell nicht, aber Schäuble wich am Freitag beim Sondertreffen in Brüssel auf eine entsprechende Journalistenfrage aus. Er sagte, bindend für das neue Hilfsprogramm sei die Erklärung des Euro-Gipfels im Juli. Die sah er zunächst nicht umgesetzt.