Die Parteitage haben ihre Faszination verloren - aber nur im Fernsehen, nicht im Internet. Online-Dienst Twitter gewinnt an Bedeutung.

Charlotte. Sind Parteitage in den USA ein Auslaufmodell? Die Demokratische Partei schickt US-Präsident Barack Obama in dieser Woche ein zweites Mal in die Wahlschlacht - doch der Parteitag in Charlotte im Bundesstaat North Carolina könnte der letzte seiner Art sein. Manche Wahlstrategen glauben, die viertägigen Nominierungsparteitage mit Konfettiregen, Stimmungsmusik und Tausenden Ballons in den Nationalfarben Rot, Weiß und Blau seien nicht mehr zeitgemäß. Da die Entscheidung für den Präsidentschaftskandidaten oft schon Monate vorher steht, bieten die Parteitage heute wenig Aufregendes für Fernsehen und Internet.

Die großen Nominierungsparteitage der US-Parteien gehen auf eine Tradition aus dem 19. Jahrhundert zurück. Tagelang brauchten die Vertreter damals, um sich in verrauchten Hinterzimmern auf Politik und Personal zu einigen, bevor sie sich auf einen Präsidentschaftskandidaten einschworen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Siegeszug der Vorwahlen in den einzelnen Staaten - und damit das Ende der Nominierungsmacht der Partei-Oberen. Nun mussten die Kandidaten vor allem an der Basis und im ganzen Land überzeugen. Die Zeit der TV-gerechten Jubelparteitage brach an, bei denen der Sieger schon lange vorher feststand - eher Kandidatenfestspiele als Wahlparteitage.

+++ USA im Niedergang +++

In der Frühzeit des Fernsehens übertrugen die Sender fast Tag und Nacht. Immer besser stellten sich die Wahlkampfstrategen der beiden Parteien darauf ein und entwickelten ein minuziös durchgetaktetes Programm. Heute zeigen die großen Sender vielleicht noch eine oder zwei Stunden lang Parteitagsberichte zur Hauptsendezeit.

Beim Treffen der Republikaner in der vergangenen Woche fragte sich John Boehner, Präsident des Abgeordnetenhauses, ob Wahlparteitage dieser Art das viele Geld wert sind, das sie kosten: "Im Hinblick auf die Masse an Nachrichten, die die Menschen heute erhalten, und vor allem darauf, wie sie die erhalten, bin ich mir nicht mehr sicher, ob ein viertägiger Parteitag in Zukunft noch sinnvoll ist."

Es gibt Demokraten, die das ähnlich sehen, etwa Senator Dick Durbin aus Illinois: "Es ist ziemlich teuer und ziemlich aufwendig. Eines Tages, in einer Welt der sozialen Medien, könnte es auch anders laufen." Schon in diesem Jahr haben die Demokraten den Eröffnungstag des Parteitages aus der Kongresshalle in die Stadt verlegt.

Obamas beste Wahlkämpferin dürfte seine Frau Michelle sein. Wann und wo immer die 48-Jährige auftritt, zieht sie die Massen an. Aus Fehlern, die sie 2008 anfangs machte, hat sie längst gelernt. Ihre Berater sagen, dass sie sich extrem intensiv auf ihre Reden vorbereite und sich hüte, vom Skript abzuweichen - ein Zeichen eiserner Disziplin, die der 1,80 Meter großen durchtrainierten Frau auch beim Fitnesstraining täglich frühmorgens zu eigen ist.

Wenn am Donnerstag zunächst Vizepräsident Joe Biden und dann Obama selbst sprechen, werden 70 000 Menschen im Stadion erwartet. Aufwühlende Musik, Konfettiregen und Luftballons werden nicht fehlen - und auch das Fernsehen dürfte live dabei sein. In den Online-Netzwerken war allerdings bereits der Konvent der Republikaner ein Renner. Das Marktforschungsinstitut Nielsen schätzt, dass 30,3 Millionen Zuschauer in elf Fernsehsendern die Rede von Mitt Romney verfolgt haben. Das ist ein Einbruch von 23 Prozent im Vergleich zu jener Nacht vor vier Jahren, als fast 39 Millionen Menschen John McCain zusahen. "Es ist nicht immer einfach, vor einem Fernseher zu sitzen und einen Parteitag zu verfolgen, wenn man ihn auch online, auf Abruf oder wann immer man sonst es möchte anschauen könnte", sagt der Professor für Politische Wissenschaft, Costas Panagopoulos, von der Fordham-Universität. Noch ist das Fernsehen die dominierende Kraft der politischen Kommunikation. Beide Wahlkampfteams haben Millionen ausgegeben, um perfekte Fernsehbilder zu präsentieren. Ganz zu schweigen von jenen 240 Millionen Dollar, die beide Parteien bislang für Fernsehwerbung ausgegeben haben.

Zu einem einflussreichen Medium hat sich auch der Kurznachrichtendienst Twitter gemausert. Kamen die Parteitage beider US-Parteien vor vier Jahren auf zusammen 365 000 Tweets, so erreichten die Republikaner dieses Mal alleine bereits fünf Millionen Nachrichten mit einer Länge von bis zu 140 Zeichen. Twitter und andere Dienste erlaubten es den Menschen, die Nachrichten dort zu konsumieren, wo sie sich gerade aufhielten, sagt Twitter-Direktor Adam Sharp. "Du bist nicht länger an diesen Bildschirm in deinem Wohnzimmer oder anderswo gebunden. Du kannst aktiv an diesen Veranstaltungen teilnehmen, während du gerade im Supermarkt an der Kasse stehst oder auf den Bus wartest."