Zwischen Mitt Romney und Barack Obama tobt ein hasserfüllter Lagerwahlkampf

Auf dem Parteitag der US-Republikaner in Tampa wurde das Publikum mitgerissen vom Star der Veranstaltung: attraktiv, eloquent, warmherzig und mit einer ganz persönlichen Botschaft, die jeden Anwesenden im Saal zu erreichen schien. Das Problem - es handelte sich nicht um den Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney, dem diese pompöse Krönungsmesse galt, sondern um seine Frau Ann. Sie gab sich alle Mühe, den Amerikanern zu erläutern, dass ihr Mann in Wahrheit liebenswert, humorvoll und vertrauenswürdig sei. Es ist bezeichnend, dass dieser Auftritt offenbar vonnöten war. Der so Angepriesene gab sich dann vor den eigenen Anhängern wieder derart hölzern, dass man ihn besser nicht in die Nähe von offenem Feuer gelangen lassen sollte.

Dabei hat die "Grand Old Party" keine schlechte Ausgangsposition. Der bei Amtsantritt geradezu messianisch bejubelte Präsident Barack Obama von den Demokraten hat bis auf das Heimholen von US-Soldaten aus dem Kampfeinsatz und die Gesundheitsreform das meiste an Wahlkampfversprechen gebrochen. Sei es die Schließung des Gefängnisses Guantánamo oder die Gesundung der US-Wirtschaft. Fairerweise muss man dazu sagen, dass die Republikaner ihren politischen Auftrag offenbar in erster Linie darin sehen, Obamas Politik aus Leibeskräften zu behindern.

Wohl selten in der Geschichte der USA war das amerikanische Volk derart zerrissen. Es tobt ein Lagerwahlkampf, der zunehmend auch mit Hass, Lügen und Diffamierung geführt wird. Amerikas wirtschaftlicher Sinkflug und die marode Infrastruktur, die stellenweise Drittweltniveau erreicht hat, werden Barack Obama zur Last gelegt. Romneys Anhänger sperren sich vehement gegen die Erkenntnis, dass der republikanische Präsident George W. Bush mit seinen zwei Billionen Dollar teuren Kriegen und seiner verheerend einseitigen Sozial- und Steuerpolitik für dieses Desaster ursächlich verantwortlich ist.

Den meisten Europäern steht Obama politisch weit näher, weil sie wie er nicht begreifen können, dass 50 Millionen US-Bürger ohne ausreichende Krankenversicherung sein sollen oder Steinreiche wie Mitt Romney nur ein paar Prozent Steuern zahlen. Von den abenteuerlichen Waffengesetzen ganz zu schweigen. Doch hier sind uramerikanische Werte wie Selbstverantwortung und Freiheit von staatlicher Steuerung berührt. Die politische Debatte ist stark durch Ideologie getränkt und damit kaum noch sachlich zu führen.

Die Hypermacht Amerika befindet sich zumindest im gefühlten Niedergang; die dadurch freigesetzten Ängste schaffen eine brennende Sehnsucht nach der goldenen Vergangenheit. Das Programm der Republikaner ist daher das wohl konservativste seit Jahrzehnten. Und Romney muss immer stärker darauf achten, dass extreme Vorschläge seiner Mitstreiter, sei es zur Frage der Abtreibung oder zur Steuergerechtigkeit, ihn, der seine Meinung gern mal abrupt ändert, nicht selber beschädigen.

Beim nun begonnenen Parteitag der Demokraten in North Carolina ergeht es Obama kaum anders als Romney in Tampa: Seine Frau Michelle, die populäre und dynamische "Mom-in-Chief", muss den Amerikanern erklären, dass ihr Mann in Wahrheit einen sehr guten Job macht.

Doch das wird nicht reichen; auch nicht, dem amerikanischen Volk darzulegen, dass das nostalgische Programm der Republikaner dazu angetan sein könnte, den USA weiter zu schaden. Barack Obama hat 2008 mit Visionen gewonnen - die sich inzwischen leider als Fata Morgana erwiesen haben: verlockend, aber unerreichbar und schnell zerstoben. Wenn er für eine zweite Amtszeit wiedergewählt werden will, muss der Präsident handfeste Argumente bieten. Es muss Obama gelingen, was Romney partout nicht schafft: sich neu erfinden.