Seit dem Wahlchaos in Afghanistan ist das Verhältnis des Landes zum Westen gestört. Jetzt werden die Rufe nach einer Exit-Strategie lauter.

Kabul/Berlin. Nach der umstrittenen Wiederwahl von Präsident Hamid Karsai zeigen sich zunehmend Risse in den Beziehungen zwischen Afghanistan und dem Westen. Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sagte am Wochenende, Karsais Legitimität sei beschädigt. Der Westen müsse jetzt eine „klare Sprache“ anwenden, um dies auch deutlich zu machen. Die Regierung in Kabul wies Kritik aus dem Ausland scharf zurück. Die unklare politische Entwicklung in Afghanistan heizt die Diskussion nach der künftigen Strategie immer weiter an. Karsai war zum alten und neuen Präsidenten erklärt worden, nachdem sein Widersacher Abdullah Abdullah seine Teilnahme an der Stichwahl abgesagt hatte. Diskutiert wird in den Nato-Staaten einerseits die Aufstockung der Truppen. Andererseits rückt aber zunehmend auch die Frage nach einer Exit-Strategie in den Mittelpunkt.

Guttenberg sagte der „Süddeutschen Zeitung“ vom Samstag, die Probleme in Afghanistan dürften nicht verschwiegen werden. „Realität ist, dass wir jetzt einen Präsidenten haben, der sich der Frage nach der Legitimität seiner Wiederwahl ausgesetzt sieht und von dem wir klare Schritte etwa bei der Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung erwarten. Auch da kommen wir mit einer klaren Sprache weiter.“ Das Außenministerium in Kabul erklärte, die Äußerungen vor allem des UN-Gesandten Kai Eide hätten das international Übliche überschritten. Zugleich warf das Ministerium „bestimmten Ländern“ vor, die Souveränität Afghanistans zu verletzen. Eide hatte am Donnerstag erklärt, „Kriegsherren und politische Strippenzieher“ sollten nicht über die künftigen Regierung entscheiden dürfen. Afghanistan könne trotz seiner strategischen Bedeutung nicht von andauernder internationalen Unterstützung ausgehen. Der britische Premierminister Gordon Brown sagte am Freitag, Karsai riskiere den Verlust der internationalen Unterstützung.

Zur Strategie in Afghanistan sagte Guttenberg, es sei richtig, dass sich die Alliierten vom „hehren Traum“ der sofortigen Demokratisierung Afghanistans nach westlichen Maßstäben verabschiedet habe. Für ein Ende des Nato-Einsatzes müssten klare Ziele und Bewertungsmaßstäbe gesetzt werden. Ähnlich äußerte sich Außenminister Guido Westerwelle. „Wir wollen jetzt gemeinsam mit unseren Verbündeten realistische Ziele festlegen und den Weg beschreiben, wie wir selbsttragende Sicherheit in Afghanistan erreichen“, sagte der FDP-Politiker der „Bild“-Zeitung.

Die Bundeswehr ist an dem Nato-geführten Isaf-Einsatz in Afghanistan derzeit mit rund 4200 Soldaten beteiligt, die vornehmlich im Norden des Landes eingesetzt sind. Eine Erhöhung der Truppenzahl könnte schon im Dezember erfolgen, wenn der Bundestag das Mandat für den Einsatz erneuern muss. Die USA denken über eine Aufstockung ihrer Streitkräfte um 30.000 Soldaten nach. Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal hat um 40.000 zusätzliche Soldaten gebeten. Derzeit sind in Afghanistan etwa 67.000 US-Soldaten und 40.000 Alliierte im Einsatz.

Auch US-Heereschef George Casey forderte eine Verstärkung der Truppen in Afghanistan. Der General nannte im Fernsehsender CNN aber keine konkreten Zahlen. Er glaube, dass mehr Soldaten am Hindukusch vonnöten seien. Der US-Sicherheitsberater James Jones, warnte demgegenüber, allein durch massive Truppenaufstockung seien die Probleme vor Ort nicht zu bewältigen. „Wir könnten 200.000 Soldaten dort im Einsatz haben, und das Land wird sie aufsaugen, wie es das in der Vergangenheit schon getan hat“, sagte Jones dem „Spiegel“.