Mission der Arabischen Liga in Protesthochburg Homs: Assad zieht seine Panzer ab, Opposition befürchtet Verschleierung der Tatsachen.

Berlin/Homs. Nach wochenlangen Gefechten war auf einmal alles ruhig. "Keine Maschinengewehrsalven, keine Raketeneinschläge mehr", sagte der syrische Oppositionsaktivist Omar Homsi beim Telefonat aus der Protesthochburg Homs. Beobachter der Arabischen Liga waren kurz zuvor in der drittgrößten Stadt Syriens eingetroffen, in der sich die Truppen des Regimes von Präsident Baschar al-Assad und dessen Gegner erbitterte Kämpfe liefern. Von der Bevölkerung wurden die Beobachter mit lauten Parolen empfangen. Erstmals seit Ausbruch der Anti-Regierungs-Proteste in Syrien vor neun Monaten kann sich nun eine unbeteiligte Partei ein Bild von der Lage machen.

Tausende Menschen strömten auf die Straßen, nachdem das Feuer eingestellt wurde. "Das Volk will den Sturz des Präsidenten", riefen sie. In dem Stadtteil Chaldiya versammelten sich nach Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London bis zu 30 000 Oppositionelle. "Die Menschen sind wütend und zeigen das der Delegation", beschrieb ein Bewohner die Stimmung. Eine Frau sei auf die Beobachter zugegangen und habe gerufen: "Sie haben unsere Männer und Kinder getötet."

Allein zu Wochenbeginn wurden in Homs nach Angaben der Opposition 34 Menschen bei Angriffen von Regierungstruppen getötet. Dabei sollen die Soldaten auch Panzer eingesetzt haben. Bis wenige Stunden vor der Ankunft der Mission war gekämpft worden. Vor allem der Stadtteil Baba Amro stand unter Dauerbeschuss, Aktivisten meldeten sechs Tote. Um sieben Uhr Ortszeit aber begann das Militär mit den Vorbereitungen für den offiziellen Besuch aus dem Ausland: Oppositionelle beobachteten, wie elf Panzer aus dem Gebiet abgezogen wurden. Die Angaben bestätigte die in London ansässige syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte unter Berufung auf Aktivisten. Die Gefechte waren vorerst vorbei. Denn am Nachmittag trafen die Beobachter auch dort ein. Einige von ihnen kamen zunächst mit dem dortigen Gouverneur zusammen, wie der syrische Fernsehsender Dunia berichtete.

Bis Ende Januar sollen 150 Experten der Arabischen Liga in Syrien sein und den Abzug der Armee aus den Städten überwachen. Ehrgeiziges Ziel der Mission ist es, das Blutvergießen zu beenden, das während des Arabischen Frühlings seinen Anfang nahm. Mehr als 5000 Menschen kamen nach Schätzungen der Vereinten Nationen beim Aufstand gegen Assad inzwischen ums Leben. In der Initiative der Arabischen Liga sehen die Aktivisten der Demokratiebewegung allerdings keine Lösung und sprechen gar von einem "Protokoll des Todes". Assad habe nur eingewilligt, um zu verhindern, dass sich der Uno-Sicherheitsrat mit dem Thema befasst.

Genau das will aber die Opposition: So soll der Weltsicherheitsrat Schutzzonen im Grenzgebiet zur Türkei einrichten, in denen Oppositionelle und Deserteure aus der syrischen Armee Zuflucht finden. Doch landesweite Demonstrationen gegen die Mission fanden am Freitag kaum Beachtung, da ein Selbstmordanschlag die Krise in eine neue Dimension führte: Die Täter hatten mit Autobomben Gebäude der Sicherheitskräfte angegriffen und 44 Menschen mit in den Tod gerissen.

Der Uno-Sicherheitsrat, das mächtigste Gremium der Vereinten Nationen, könnte weitreichende Sanktionen verhängen, wenn es sich des Falles Syrien annähme. Im Falle Libyens unterstützte der Rat eine Flugverbotszone, die von der Nato militärisch durchgesetzt wurde und zum Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi beitrug. Etwas Ähnliches könnte auch Assad drohen, der wegen seines skrupellosen Vorgehens gegen das eigene Volk international zunehmend isoliert ist. Zahlreiche Staaten haben Sanktionen erlassen. Der einst wichtige Verbündete Türkei wendet sich ab. Zahlreiche Syrer sind in das Nachbarland geflohen, darunter auch viele Deserteure der syrischen Armee.

Die Benennung des sudanesischen Generals Mustafa al-Dabi zum Leiter der Beobachtermission hält so mancher ebenfalls für eine unglückliche Wahl. Sudanesische Aktivisten der in Washington ansässigen Gruppe Enough Project werfen dem ehemaligen hochrangigen Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes vor, Kriegsverbrechen in Darfur gedeckt zu haben. Der 63-Jährige war vor Ausbruch des dortigen Konfliktes für die Sicherheit in der Region verantwortlich. Später vermittelte er zwischen der sudanesischen Regierung und den Friedenstruppen von Vereinten Nationen und Afrikanischer Union. Er gilt als Vertrauter des sudanesischen Präsidenten Omar al-Baschir, gegen den wegen der Kriegsverbrechen in Darfur ein internationaler Haftbefehl ausgestellt wurde.

Auf einen Monat ist die Mission der Liga zunächst befristet. In dieser Zeit wollen die arabischen Diplomaten, Militärs und anderen Experten mehr als 100 Krisenherde besuchen. Danach wird sich zeigen, ob die vorläufig erreichte Waffenruhe auch von Dauer ist. Die Beobachter sollen überprüfen, ob Assad sich an einen Friedensplan hält, der den Abzug von Truppen aus Städten, die Freilassung von Gefangenen und die Aufnahme von Gesprächen mit der Opposition vorsieht. Aktivisten fürchten, dass die Truppen ihr wahres Handeln verschleiern. So sollen aus Städten wie Deraa und Hama Panzer abgerückt sein - nur um ein falsches Bild der Lage zu vermitteln und später wieder zurückzukehren.