Eine Militäraktion schließen Westerwelle und seine europäischen Amtskollegen aus. Syrien warnt Arabische Liga vor “gefährlichem Schritt“.

Brüssel/Beirut/Damaskus/Ankara. Führende Außenpolitiker der Europäischen Union (EU) schließen eine Militäraktion gegen das syrische Regime von Präsident Baschar Assad aus. Allerdings sprachen sich die Minister für schärfere Sanktionen gegen Syrien aus. Die Botschafter der 27 EU-Staaten vereinbarten Diplomaten zufolge kurz vor dem Außenministertreffen am Montag in Brüssel, weiteren führenden Repräsentanten des Landes ein Reiseverbot in die EU zu erteilen. Auch sollen weitere Fördermittel der Europäischen Investitionsbank für Syrien ausgesetzt werden.

"Das ist ein klares Zeichen des Beistandes gegenüber der syrischen Opposition, denn diese Menschen, sie gehen auf die Straße für Freiheit, für Bürgerrechte, sie verdienen unsere Solidarität“, sagte Außenminister Guido Westerwelle in Brüssel. Die Sanktionen sollten den Finanzbereich und Personen treffen, die für die Unterdrückung der Opposition verantwortlich seien.

Westerwelle und führende EU-Außenpolitiker unterstrichen, der Druck auf Syrien müsse erhöht werden. Der niederländische Außenminister Uri Rosenthal sagte, bereits jetzt gebe es Berichte, dass wegen der bereits bestehenden EU-Sanktionen der syrischen Führung die Finanzmittel ausgingen. Dieser Weg müsse fortgesetzt werden.

Die EU hat schon mehrere Sanktionsrunden gegen Syrien beschlossen, um Assad zum Rückzug zu bewegen und ein Ende der Gewalt gegen Regimekritiker zu erreichen. Bisher verhängte die EU Reiseverbote und Kontensperrungen über 56 Personen und 19 Unternehmen oder Institutionen. Seit September gilt ein Ölembargo. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind in der seit sieben Monaten andauernden Revolte mehr als 3500 Menschen getötet worden. Die Regierung macht "Terroristen“ und vom Ausland unterstützte Islamisten für die Unruhen verantwortlich. Eine unabhängige Berichterstattung aus dem Land ist schwierig, weil die meisten ausländischen Korrespondenten ausgewiesen wurden.

Weitere Einreiseverbote und Kontensperrungen

Die Außenminister wollen nun 19 weitere Personen mit Einreiseverboten und Kontensperrungen belegen. Das sei "ein klares Zeichen des Beistandes gegenüber der syrischen Opposition“, sagte Westerwelle. Nach der Resolution der Arabischen Liga, Syrien ab Mittwoch wegen der Niederschlagung der Demokratiebewegung zu suspendieren, hofft die EU nun auch auf mehr Druck von China und Russland auf Assad. "Das ist ein Anlass zum Umdenken für die Zögerlichen“, sagte Westerwelle. UN-Sanktionen gegen Syrien scheiterten dort bislang am Widerstand Russlands und Chinas. "Ich hoffe, dass die neue Bewegung im Fall Syrien einen Beitrag dazu leistet, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine eindeutige klare Sprache findet.“

Der Bundesaußenminister und mehrere seiner Amtskollegen begrüßten am Montag die harte Haltung der Arabischen Liga gegen Syrien. Die Staatengemeinschaft wiil Syrien weiter ausschließen, sollte das Regime nicht einen grundsätzlichen Kurswechsel einleiten. Dazu gehörten die Freilassung aller politischen Gefangenen und ein Ende der Gewalt gegen Zivilisten.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Großbritanniens Außenminister William Hague betonten, die Lage in Syrien sei nicht mit der in anderen Staaten der Region vergleichbar. Es müssten aber Wege gesucht werden, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Ashton erinnerte daran, dass seit Beginn der Unruhen rund 3.500 Zivilisten in Syrien ums Leben gekommen seien.

Die Arabische Liga hatte am Wochenende gegen den Widerstand des Jemen und des Libanon die Mitgliedschaft Syriens ausgesetzt. Der Iran hatte sich enthalten. Nach Vorwürfen, zu lange gezögert zu haben, kündigte der Staatenbund außerdem wirtschaftliche und politische Sanktionen gegen die Regierung an. Zudem rief die Liga die Mitglieder dazu auf, ihre Botschafter aus der syrischen Hauptstadt abzuziehen. Die Anhänger Assads griffen daraufhin Botschaften an.

+++ Assad-Anhänger stürmen Botschaften in Damaskus +++

Die Europäer kämpften im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bisher vergebens dafür, international abgestimmt mit diplomatischem Druck gegen Syrien vorzugehen. Die BRIC-Staaten China, Russland, Indien, Brasilien und Südafrika waren bisher dagegen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow bekräftigte nach einem Agenturbericht die ablehnende Haltung und kritisierte die Entscheidung der Arabischen Liga.

Syrien nennt Liga-Entscheidung "gefährlichen Schritt"

Derweil hat Syrien hat den einstweiligen Ausschluss aus der Arabischen Liga als "extrem gefährlichen Schritt„ bezeichnet. Dies sagte am Montag Außenminister Walid al-Mualem. Die USA hatten die Entscheidung der Arabischen Liga begrüßt. Der Minister warf den USA daher vor, die Stimmung noch anzuheizen.

Liga-Vertreter Scheich Hamad bin Dschassim hielt sich die Möglichkeit offen, die Vereinten Nationen (UN) um den Schutz der syrischen Zivilbevölkerung zu bitten. Der syrische Außenminister Mualem stellte unterdessen klar, sein Land setze weiter voll darauf, dass Russland und China auf der Seite Syriens stünden, und die Bemühungen des Westens blockierten, durch die UN eine Verurteilung der Gewalt gegen Oppositionelle zu erreichen. Mualem sagte, die Entscheidung der Arabischen Liga dürfte nichts an den Positionen Russlands und China verändert haben. Mit einem militärischen Eingriff wie in Libyen rechnet das Land daher nicht. "Das libysche Szenario wird sich nicht wiederholen“, sagte Mualem in Damaskus. Als der UN-Sicherheitsrat für ein militärisches Vorgehen in Libyen votierte, hatten sich Russland und China enthalten.

Unterdessen hat die syrische Opposition in der Türkei um Erlaubnis für die Eröffnung einer offiziellen Vertretung gebeten. Mitglieder des Syrischen Nationalrats hätten Außenminister Ahmet Davutoglu am Sonntag die Bitte vorgetragen, meldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Der Syrische Nationalrat versucht, alle oppositionellen Kräfte gegen Präsident Assad zu bündeln. Er wurde im vergangenen September in Istanbul gegründet.

Syrien boykottiert Arabische Spiele

Auch auf ein sportliches Großereignis hat der Syrien-Konflikt Auswirkungen: Das Land sagte seine Teilnahme an den Arabischen Spielen in Katar aus politischen Gründen ab. Die syrischen Athleten wollten damit ihren Protest gegen den vorläufigen Ausschluss Syriens aus der Arabischen Liga ausdrücken, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Die Entscheidung sei vom Syrischen Olympischen Komitee und der Allgemeinen Sportvereinigung getroffen worden, hieß es. Syrien steht wegen der brutalen Verfolgung der Opposition international in der Kritik.

Die Arabischen Spiele beginnen am 9. Dezember in dem Golfemirat Katar. Das Herrscherhaus von Katar hatte eine entscheidende Rolle bei den Beratungen der Liga gespielt, die am vergangenen Samstag zum vorläufigen Ausschluss Syriens aus der Organisation geführt hatten. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad wirft Katar zudem vor, es verbreite über seinen TV-Sender Al-Dschasira Falschmeldungen über die Lage in Syrien.

Mit Material von dpa, rtr dapd und kna