Jeden Tag gibt es neue „Widerstandsbrigaden“ desertierter Soldaten. Doch die Truppen von Syriens Präsident Assad machen Jagd auf sie.

Kairo/Damaskus. Nach Monaten des weitgehend friedlichen Widerstands steuert Syrien jetzt auf einen Bürgerkrieg zu. Gleichzeitig werden die Rufe der Regimegegner nach einer Militärintervention zur Rettung von Demonstranten und desertierten Soldaten immer lauter. Oppositionelle erklärten am Mittwoch, die Armee und die Milizen machten inzwischen in mehreren Ortschaften Jagd auf Deserteure. Dabei werde auch die Luftwaffe eingesetzt. „Die Arabische Liga sollte die Vereinten Nationen bitten, eine Flugverbotszone über Libyen einzurichten .... so wie im Falle Libyens“, sagte Chalid Chodscha, ein Mitglied des Übergangsrates der Revolutionäre, der sich Mitte September in der Türkei gebildet hatte, der Nachrichtenagentur dpa.

Regimegegner meldeten, Soldaten hätten am Mittwoch die Ortschaft al-Rastan mit Artillerie angegriffen. Desertierte Soldaten hätten jedoch verhindert, dass sie in die Stadt eindringen. In der Ortschaft Dschabal al-Sawija hätten Angehörige einer neu formierten Aufständischen-Brigade zahlreiche Milizionäre in eine Falle gelockt und getötet. Laut Informationen der Regimegegner waren am Dienstag 16 Zivilisten von den Sicherheitskräften getötet worden. Alle diese Angaben sind wegen der Medienblockade der syrischen Regierung nicht zu überprüfen.

Ein angeblicher Rebellenkommandeur, der sich in einem Video als Hauptmann Jussif Hamud identifiziert, sagte, seine Einheit habe sich nach Chalid Ibn al-Walid benannt. Chalid Ibn al-Walid (595-642) zählte zu den Gefährten des Propheten Mohammed und war einer der wichtigsten Kommandeure der muslimischen Truppen. Er eroberte Syrien während der Herrschaftszeit des Kalifen Abu Bakr.

Der christliche Klerus in Syrien steht offiziell bislang auf der Seite des Regimes – unter anderem weil die Geistlichen befürchten, dass der Staat im Falle eines Regimewechsels stärker islamisch geprägt sein würde als bisher. Diese Haltung ändert sich jedoch nach Einschätzung von Beobachtern langsam, wegen der Gräueltaten der Regime-Milizen und aufgrund des wachsenden internationalen Drucks auf Assad.

Zwei Cousins des Präsidenten – Munzher al-Assad und Fawwaz al-Assad – stehen als Kommandeure der Milizen auf der Sanktionsliste der EU. Fawwaz al-Assad soll ein Bewunderer von Adolf Hitler sein.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) rief die Vereinten Nationen am Mittwoch auf, zu ermitteln, welche Rolle das syrische Regime bei der Enthauptung der 18 Jahre alten Syrerin Seinab al-Husni in Polizeigewahrsam spielte. Angehörige hatten Menschenrechtlern berichtet, al-Husni sei zu Tode gefoltert worden. Sie war festgenommen worden, um ihren Bruder – einen Aktivisten – zu zwingen, sich zu stellen. Pro Asyl und Amnesty International forderten einen formellen Abschiebestopp von Flüchtlingen aus Deutschland nach Syrien.

Nach dem Tod Tausender Oppositioneller wagen die Europäer im Uno-Sicherheitsrat einen neuen Vorstoß für eine Resolution gegen das Regime in Damaskus. Großbritannien, Frankreich, Portugal und auch Deutschland haben den übrigen elf Ratsmitgliedern ein Papier vorgelegt, das das Regime scharf verurteilt und schon am Mittwoch beraten werden soll. Sanktionsdrohungen enthält es nicht, es bleibt bei reinen Appellen. Bislang war aber jeder Resolutionsentwurf an den Vetomächten Russland und China gescheitert.

Das Papier ruft die Regierung in Damaskus zu einem Ende der Gewalt auf und drängt auf die Einhaltung der Menschenrechte. Zentral sei ein glaubwürdiger politischer Reformprozess, hieß es von deutschen Diplomaten in New York. Eine Verabschiedung, wenn es denn überhaupt dazu kommt, noch diese Woche wird aber nicht erwartet. (dpa)