Wie die Welt mit ihren toten Diktatoren umgeht. Gaddafi ist kein Einzelfall, Ceaucescu und Mussolini ereilte ein ähnliches Schicksal.

Berlin. Bei Sonnenaufgang ist Libyens toter Diktator Muammar al-Gaddafi gestern in der Sahara beerdigt worden. An einem nicht näher bezeichneten Ort, irgendwo im Nirgendwo. Wie Ibrahim Beitalmal, der Sprecher der Streitkräfte, anschließend mitteilte, seien "nur wenige Angehörige" dabei gewesen. Bei ihnen soll es sich um zwei Cousins von Gaddafi gehandelt haben, die gemeinsam mit ihm gefangen genommen worden waren. Die Beisetzung, so Beitalmal, sei nach islamischem Ritus vollzogen worden.

Der sieht allerdings auch vor, dass ein Toter unverzüglich, möglichst noch am Sterbetag, beerdigt wird. Dass der Leichnam des Machthabers zuvor tagelang in der Stadt Misurata in einer Fleisch-Kühlkammer zur Schau gestellt wurde, galt deshalb als besondere Demütigung. Tausende hatten den Leichnam dort in Augenschein genommen. Erst am Montag hatte der Übergangsrat dieses makabere Spektakel beendet. Gaddafis Beisetzung an einem unbekannten Ort, hieß es offiziell, solle das Grab vor Vandalismus schützen.

+++Darf man den toten Diktator zeigen?+++

+++Westerwelle drängt die Libyer zur Demokratie+++

Tatsächlich ist dem Übergangsrat wohl eher daran gelegen, zu verhindern, dass aus diesem Grab eine Pilgerstätte wird. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. In Deutschland weiß man ein Lied davon zu singen. 24 Jahre lang sind braune Kohorten nach Wunsiedel gepilgert, um Hitlers Stellvertreter zu huldigen. Mit diesem Spuk ist erst Schluss, seit die Familie von Rudolf Heß der Aufhebung des Grabes zugestimmt und seine Asche im Juli 2011 irgendwo verstreut hat.

Was immer die sicherste Methode ist, sich unliebsame Trauergäste vom Leib zu halten, die aus dem Toten gerne einen Märtyrer machen würden. Die Amerikaner haben im Fall Osama Bin Laden deshalb auch nicht lange gefackelt, sondern dem Al-Qaida-Chefterroristen keine zwölf Stunden nach seiner Erschießung eine Seebestattung zuteil werden lassen. Allerdings nicht ohne vorher ein Foto in Umlauf zu setzen, das den Tod des meistgesuchten Mannes der Welt beweisen sollte. Auf diesen Beweis kommt es ja an, wenn man eine Mythenbildung verhindern will. Auch die kennt man aus Deutschland. Noch Jahrzehnte nach Kriegsende gab es hierzulande Leute, die den Tod Hitlers anzweifelten, der sich am 30. April 1945 im Bunker der Berliner Reichskanzlei erschossen hatte. Zwar war eigentlich klar, dass die Russen die Leiche gefunden und verbrannt hatten, aber sie hatten das Ende des Diktators nicht dokumentiert. Und das ist eben ein historischer Fehler, wenn man die Leiche auf Nimmerwiedersehen verschwinden lässt. Ob sich allerdings, wie im Fall Gaddafi geschehen, Journalisten dafür hergeben müssen, sich mit dem toten Diktator ablichten zu lassen, steht auf einem anderen Blatt.

+++Leichnam von Gaddafi lagert im Einkaufszentrum+++

Nachdem rumänische Richter am 25. Dezember 1989 kurzen Prozess mit Nicolae Ceausescu und seiner Frau Elena gemacht hatten und ihn zehn Minuten nach der Urteilsverkündung standrechtlich hatten erschießen lassen, kursierten Fotos, die am Tod dieses Diktators jedenfalls keine Zweifel ließen. Die hatten nur seine Kinder. Die ließen die sterblichen Überreste ihrer Eltern im vergangenen Sommer auf dem Bukarester Ghencea-Friedhof exhumieren, um sich definitiv zu überzeugen.

Wie mit einem toten Diktator umgegangen wird, hängt nicht unwesentlich davon ab, unter welchen Umständen er gestorben ist. Schreckensgestalten wie Chinas Mao Tse-tung, Koreas Kim Il-sung oder Irans Ruhollah Khomeini wurden pompöse Mausoleen errichtet, weil die Regime nach ihrem Ende fortbestanden und bestehen. Kim und Mao wurden einbalsamiert, allerdings mit unterschiedlichem Erfolg. Maos Überreste, heißt es, würden abends in einen unterirdischen Kühlraum abgesenkt. Wegen der schlechten Arbeit der vietnamesischen Einbalsamierer sei der "Sonne Chinas" bereits ein Ohr abgefallen. Tatsächlich sind die Öffnungszeiten des 1977 am Tiananmen-Platz eröffneten Mausoleums etwas unregelmäßig, und zuweilen bleibt es wegen angeblicher Restaurierungsmaßnahmen monatelang geschlossen. Khomeinis Leichnam hingegen ist nicht zu sehen - trotzdem schlagen sich fanatische Trauernde seit 20 Jahren die Stirn an den Silbergittern blutig, die das Grab in Ghom umgeben.

Auch am Grab des vor fünf Jahren hingerichteten irakischen Diktators Saddam Hussein spielen sich bizarre Szenen ab. Ganze Schulklassen werden am Geburts- und Sterbetag nach Audscha bei Tikrit gekarrt, bisher scheint das Gruppenreisen-Verbot, das die irakische Regierung vor zwei Jahren verhängte, noch nicht recht zu fruchten. Im Heimatdorf Saddams findet man dieses Verbot empörend. Saddam, heißt es dort, habe die Geschichte des Landes stark geprägt, es sei falsch, die Erinnerung an sein Wirken auszulöschen.

An das Wirken von Francisco Franco erinnert die gigantische Basilika im sogenannten Tal der Gefallenen bei Madrid. Diese 260 Meter lange, in den Fels gehauene Kirche, in der die Opfer des Spanischen Bürgerkriegs beigesetzt sind, hat der Faschisten-General selbst in Auftrag gegeben. 1975 wurde er unter der Kuppel beigesetzt, seitdem ist die Kirche ein Wallfahrtsort für Ewiggestrige. Viele von ihnen finden es schick, sich dort trauen zu lassen.

Italiens Oberfaschist Benito Mussolini wurde nach seiner Hinrichtung und öffentlichen Zurschaustellung an einer Mailänder Tankstelle im April 1945 übrigens zunächst auf einem Mailänder Friedhof verscharrt, erst seit 1957 liegt er in der Familiengruft in Predappio. Sehr zur Freude der Einheimischen, die für den nicht abreißenden Strom der Duce-Touristen verschiedenste Devotionalien bereithalten.