Ausstellung von Gaddafi-Leiche ruft im Ausland Befremden hervor - Libyscher Übergangsrat verspricht moderaten Kurs

Misrata. Die Leiche des früheren Machthabers Muammar Gaddafi soll nach tagelanger Zurschaustellung nicht mehr öffentlich gezeigt werden. Wachleute riegelten am Montagnachmittag einen Kühlraum in der Stadt Misrata ab. Der libysche Übergangsrat erklärte, die Leiche werde nicht mehr gezeigt. Die Ausstellung der verwesenden Körper von Gaddafi, seines Sohnes Motassim und seines Armeechefs hatten bei ausländischen Verbündeten des Übergangsrates Befremden ausgelöst. Das Gremium will nach eigenen Angaben untersuchen, wie Gaddafi in der vergangenen Woche ums Leben kam. Menschenrechtler forderten vom Übergangsrat zudem eine Erklärung, wer für ein mutmaßliches Massaker unter Gaddafi-Anhängern in der vergangenen Woche in der Stadt Sirte verantwortlich ist.

Gaddafi wurde am Donnerstag vergangener Woche gefasst und starb wenig später unter Umständen, die noch immer nicht geklärt sind. Nach Darstellung des Übergangsrates kam er bei Kämpfen zwischen eigenen Anhängern und Kämpfern des Übergangsrats ums Leben. Es gibt jedoch auch die Vermutung, dass er nach der Gefangennahme in seiner Heimatstadt Sirte hingerichtet wurde.

Die halbnackte Leiche Gaddafis mit Einschusswunde am Kopf wurde tagelang in einer Kühlhalle in Misrata ausgestellt. Am Montag bekamen Schaulustige wegen des Verwesungsgeruches Mundschutze. Wachen legten wegen auslaufender Körperflüssigkeiten den Raum mit Plastikplanen aus. Nach muslimischem Brauch wird ein Leichnam eigentlich innerhalb eines Tages beerdigt. Die Umstände von Gaddafis Tod und der Umgang mit seiner Leiche scheinen aber bei den meisten Libyern auf wenig Interesse zu stoßen. „Wäre er ein guter Mensch gewesen, hätten wir ihn beerdigt“, sagte ein Libyer, der sich in die Schlange der Schaulustigen in Misrata einreihte. „Er hat sein Schicksal selbst zu verantworten.“

Innerhalb des Übergangsrates gibt es Streit, wo Gaddafi begraben werden soll. Führende Mitglieder wollen ihn an einem geheimen Ort beerdigen lassen, damit das Grab nicht zu einer Pilgerstätte wird. Gaddafis Stamm fordert dagegen eine Ruhestätte in Sirte. Dies war auch der Wille Gaddafis, der in Libyen 42 Jahre lang herrschte.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte unterdessen die Aufklärung eines mutmaßlichen Massakers in vergangenen Woche in Sirte. Nach Erkenntnissen der Gruppe wurden 53 mutmaßliche Gaddafi-Anhänger getötet. Einige der Getöteten seien bei der Erschießung gefesselt gewesen, erklärte Human Rights Watch. Die Organisation forderte vom Übergangsrat, schnell ein transparentes Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Das Gremium, das nach dem Sturz Gaddafis die Macht in dem Land übernahm, zeigte sich bemüht, Bedenken der Staatengemeinschaft über eine mögliche Hinwendung des Landes zum radikalen Islam zu zerstreuen. Libyer seien moderate Muslime, beteuerte der Chef des Übergangsrates, Abdel Dschalil. Die Scharia soll nach den Worten Dschalils die Grundlage des künftigen Rechtssystems bilden. Jedes Gesetz, das gegen die strengen islamischen Vorgaben verstoße, sei nicht mehr rechtskräftig, erklärte er in einer Rede an die Nation. Zudem solle ein Bankensystem nach islamischem Recht eingeführt werden. (rtr/abendblatt.de)