In Libyen wird in diesen Tagen an den Beginn der Revolution erinnert - und den Kampf gegen den “tollwütigen Hund des Nahen Ostens“.

Tripolis. Der frühere US-Präsident Ronald Reagan nannte ihn einst den „tollwütigen Hund des Nahen Ostens“: Muammar al-Gaddafi inszenierte sich gern in Operettenuniformen und residierte im Beduinenzelt. Er präsentierte sich als Revolutionsführer und umgab sich mit äthiopischen Leibwächterinnen. Lange galt der damals dienstälteste Machthaber der Welt als politischer Überlebenskünstler, freiwillig wollte er das Zepter in Libyen nie abgeben. Vier Monate nach Beginn der Revolution vor einem Jahr hatte er noch angekündigt, den von unzähligen Nato-Luftangriffen unterstützten Rebellen „bis zum Tod“ trotzen zu wollen. Weitere vier Monate später wurde aus dieser Ankündigung Realität.

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In den mehr als vier Jahrzehnten seiner Herrschaft stand Gaddafi immer wieder vor schwierigen Herausforderungen – er saß mehrfach Terrorvorwürfe aus, widerstand internationalem Druck und amerikanischen Luftangriffen. In den vergangenen Jahren hatte er gar begonnen, sein Land allmählich wieder aus der Isolation herauszuführen. Während des arabischen Frühlings bekam das sorgsam inszenierte Bild vom strahlenden Volkshelden, das Menschenrechtler ohnehin als Blendwerk kritisierten, zunehmend Risse. Ein offizielles Regierungsamt hatte Gaddafi nie inne. Volkskomitees und Volkskongresse verliehen seiner „Dschamahirija“ den Anschein eines Regierungssystems, das indes allein auf den Machterhalt des Chefs ausgelegt war.

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Vermutlich starb Gaddafi im Alter von 69 Jahren. Zu seinem genauen Geburtsdatum im Jahre 1942 gibt es widersprüchliche Angaben. Als jüngstes von vier Kindern einer armen Beduinenfamilie genoss der einzige Sohn anders als seine Schwestern eine Schulausbildung, studierte Geschichte und Jura – und schlug dennoch die Militärlaufbahn ein. 1965 gründete er den „Bund der freien Offiziere“ und putschte sich 1969 gegen König Idris an die Macht. Gaddafi beförderte sich selbst zum Oberst, übernahm den Befehl über die Streitkräfte sowie den Vorsitz des Revolutionsrats und war bis 1972 auch Regierungschef. Er verschrieb sich der arabischen Einheit, dem Sozialismus und dem Kampf für die Verbreitung des Islams in der Welt. Er verbot Alkohol, schloss christliche Kirchen und erklärte den Koran zum Kodex allen Lebens. 1973 leitete er jedoch eine Abkehr von diesem Konzept ein und entwarf in seinem „Grünen Buch“ eine Anleitung zur Umsetzung der direkten Demokratie. Der Auslegung des schmalen Bändchens widmete sich später eine eigene wissenschaftliche Abteilung an einer Universität des Landes.

Mit der Ausrufung der „Großen Sozialistischen Libysch-Arabischen Volks-Dschamahirija“ 1977 wurde das Allgemeine Volkskomitee eingesetzt, vergleichbar einer Regierung. 1979 legte Gaddafi formal sein letztes politisches Amt nieder, das des Staatspräsidenten. De facto blieben aber er und seine langjährigen Weggefährten die bestimmenden politischen Persönlichkeiten des Landes. Verbindungen zum internationalen Terrorismus und der Lockerbie-Bombenanschlag 1988 auf ein Verkehrsflugzeug, bei dem 270 Menschen ums Leben kamen, führten Libyen in die internationale Isolation. Dies änderte sich erst um die Jahrtausendwende, als Gaddafi offiziell dem Terrorismus abschwor, die Opfer des Anschlags von Lockerbie entschädigte und sich zum Verzicht auf Massenvernichtungswaffen bereit erklärte. In der Folge begann er, sein Land wirtschaftlich zu öffnen – die politischen Strukturen und das gewaltsame Durchgreifen gegen Proteste blieben unverändert.

Legendär bleiben Gaddafis mitunter befremdliche Auftritte mit Sonnenbrille und wirrem Krauskopf im Staatsfernsehen. Am Schluss fielen sie immer irritierender aus. Selbst als die Rebellen zunehmend Oberhand gewannen, hielt Gaddafi an seinem Führungsanspruch fest – bis zu seinem Tod. Der „tollwütige Hund“ ist trotzig geblieben bis zum Ende.