Erhält Griechenland die sechste Tranche aus dem laufenden Hilfsprogramm? Ohne diese acht Milliarden Euro droht dem Land die Pleite.

Berlin/Brüssel. Eine Fahrt durch Athen kann derzeit leicht zu einem mehrstündigen Horrortrip werden. Streiks der Bus- und Bahnfahrer sorgen immer wieder für Staus. Viele Straßen und Plätze werden regelmäßig von Demonstranten blockiert. Das Chaos regiert in der griechischen Hauptstadt. Das erleben zurzeit auch die Beamten der sogenannten Troika. Die Experten von EU, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) sind dabei, die Finanzlage des Landes zu untersuchen. Dafür brauchen sie allerdings länger als geplant - auch wegen der stundenlangen Fahrten zu Ministerien und Verwaltungsgebäuden.

Von dem Bericht der Troika hängt ab, ob Griechenland die sechste Tranche aus dem laufenden Hilfsprogramm erhält. Ohne diese acht Milliarden Euro droht dem Land die Pleite. Eigentlich sollte das Geld schon längst überwiesen sein. Doch die europäischen Finanzminister zögern die Entscheidung hinaus. Bei ihrem Treffen in Luxemburg gaben sie nun bekannt, dass auch in der kommenden Woche nicht mit einer Zusage zu rechnen sei. "Ich habe das für den 13. Oktober geplante Ministertreffen abgesagt", kündigte Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker an, der Chef der Euro-Gruppe. Er erwartet die Entscheidung nun "im Laufe des Oktober".

Die Schwierigkeiten der Troika in Athen sind ein Grund, aber wohl nicht der entscheidende. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die europäischen Finanzminister noch gar nicht über die nächste Hilfstranche entscheiden wollen. Man warte ab, bis die Erneuerung des Euro-Rettungsschirms EFSF umgesetzt sei, heißt es in deutschen Regierungskreisen. Das ist ein deutliches Signal an Griechenland: Denn die Erweiterung des EFSF gilt als Voraussetzung, um bei einer Staatspleite einen Flächenbrand in der Euro-Zone zu verhindern.

Bis der neue Schirm steht, gelten Spekulationen über einen Bankrott Athens als unerwünscht. Juncker sagte, im Kreis der Minister habe sich niemand dafür ausgesprochen, das Land pleitegehen zu lassen. "Wir werden alles tun, um das zu verhindern", sagte er.

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Ob der um etliche Kompetenzen erweiterte EFSF tatsächlich bis zur Entscheidung über die nächste Tranche in Kraft ist, hängt vor allem an der Slowakei. Bis auf die Niederlande, wo im Parlament kein Widerstand zu erwarten ist, haben alle anderen Länder zugestimmt. In Bratislava allerdings ist die Regierungsmehrheit ungewiss, der kleinere Koalitionspartner der christlich-liberalen Premierministerin Iveta Radicova droht mit einem Nein. Finanzminister Ivan Miklos, der sich in Luxemburg Kritik seiner Kollegen gefallen lassen musste, verbreitete nun Optimismus: Eine Einigung in der Koalition und damit Mehrheit für den größeren EFSF sei in Sicht. Er hoffe, "die Abstimmung bis spätestens 14. Oktober zu schaffen, also rechtzeitig vor dem am 17. Oktober beginnenden EU-Gipfel", sagte sein Sprecher.

Der griechische Finanzminister Evangelos Venizelos hat nach eigenen Angaben noch etwa sechs Wochen lang so viel Geld zur Verfügung, dass er Beamtengehälter und Renten auszahlen kann. "Bis Mitte November - das ist klar - gibt es kein Problem", sagte er. Zuvor hatte es geheißen, das hoch verschuldete Land sei ohne Hilfe bereits Mitte Oktober zahlungsunfähig.

Das Treffen der Finanzminister stand überhaupt im Schatten der schlechten Nachricht, dass Griechenland seine Sparziele auch im Jahr 2012 nicht erreichen wird. Diese Mitteilung der griechischen Regierung rief Ärger hervor: "Es geht nicht nur um Griechenland, es geht um die Stabilität in der gesamten Euro-Zone", sagte die österreichische Finanzministerin Maria Fekter. "Und da haben sich alle diszipliniert zu verhalten."

Die schlechten Haushaltszahlen aus Athen lassen allerdings die Zweifel wachsen, ob das Land mit den bisherigen Instrumenten überhaupt zu retten ist. Nach der Entscheidung über die sechste Hilfstranche wollten die Euro-Staaten und der IWF eigentlich ein zweites Hilfspaket mit einem Volumen von 109 Milliarden Euro auf den Weg bringen. In der Bundesregierung überlegt man allerdings, ob man das Paket noch einmal aufschnürt. Ziel: Es soll eine Umschuldung beinhalten. Bisher ist nur eine freiwillige Beteiligung privater Gläubiger vorgesehen. Nun prüft Berlin einen harten Schuldenschnitt. Das würde zwar Banken und Versicherungen treffen, Griechenland aber die Chance auf eine Genesung bieten.

Das Problem ist nur: Bisher sind sich die Euro-Retter nicht einig. Das trifft vor allem auf die beiden wichtigsten Rettungsschirm-Finanzierer zu: Deutschland und Frankreich. In Paris hält man von einem Schuldenschnitt wenig. Er würde die eigenen Finanzinstitute, die auf vielen griechischen Staatsanleihen sitzen, hart treffen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy will zudem vor der Präsidentenwahl im kommenden Frühjahr nicht einen Hauch von gescheiterten Rettungsmaßnahmen erkennen lassen. Der mögliche Schuldenschnitt dürfte das zentrale Thema am kommenden Sonntag werden, wenn Sarkozy zu einem Gespräch mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Berlin kommt.

Zuvor kann Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) heute schon mal Überzeugungsarbeit leisten. Er trifft sich mit Premierminister François Fillon und Finanzminister François Baroin. Rösler hat bereits für Aufsehen gesorgt, als er in der "Welt" in einem Gastbeitrag forderte, dass auch eine geordnete Insolvenz Griechenland kein Tabu mehr sein dürfe. Mittlerweile hat er Eckpunkte erarbeiten lassen für ein solches Verfahren, das er "Resolvenz" nennt. Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Kapferer hat sie an seinen Kollegen im Finanzministerium, Jörg Asmussen, geschickt. Im Mittelpunkt des Konzepts steht die Beteiligung privater Gläubiger. Röslers Beamte schlagen zudem vor, dem Schuldensünder zeitweise nationale Rechte zu entziehen, um die Sanierung zu beschleunigen.